Aktuelle Ausgaben
Teaching to the Test
Was die Testflut mit uns allen anstellt
Klappentext
In den letzten beiden Jahrzehnten wurden im österreichischen Schulsystem erstmals in großer Anzahl standardisierte Leistungstests eingeführt. Vordergründig als objektivierende Instrumente zur Unterstützung des Unterrichtsgeschehens konzipiert, haben sich damit Unterrichtsinhalte und Unterrichtsformen in vielfältiger, oft unbeabsichtigter Weise verändert und den Testformaten angepasst. Dieses schulheft widmet sich dem kritischen Diskurs zum Thema Teaching to the Test und wie durch standardisierte Tests Selektionsmechanismen befördert und Systemzwänge verdichtet werden.
Inhalt
Editorial
Grundsätzliches
Julia Köhler
Ein lerntheoretischer Blick auf das Thema
James Loparics
QMS: Ein weiterer Meilenstein der Ökonomisierung
Kritische Überlegungen zum aktuellen österreichischen Qualitätsrahmen für Schulen
Lorenz Lassnigg
„Outcome-Orientierung“
Testen, Testen, Testen versus reflexive Beurteilung
Florian Sobanski
Daten – zur Schulentwicklung oder zur Selbstverteidigung?
Fokus Schule
Marlies Adler und Verena Corazza
Die Testenden
Ausschnitte aus Interviews mit zehn Pädagog:innen
Mi-Cha Flubacher und Verena Plutzar
Messen – Bewerten – Prüfen
im Kontext von Deutsch als Zweitsprache
Forderungen an die Politik
Doris Englisch-Stölner und Gabriele Prokop
MIKA-D in der Volksschule:
Spracherhebung objektiv und exklusiv?
Wanda Grünwald
Teaching to the Test und Freinetpädagogik – eine Unvereinbarkeit
Schüler:innen-Resonanzen
Lina Feurstein
Schule ohne Prüfungen – unvorstellbar?
Joy Muth und Marko Lüftenegger
Teaching to the Test-Praktiken aus Schüler:innenperspektive
Josef Reichmayr
Die Sicht der Schüler:innen
Gespräche an Wiener Schulen
Eltern am Wort
Barbara Trautendorfer
Lernen für die Noten
Jasmin Hammer
Ich gehe gerne zur Schule
Nachrufe
Alfred Schirlbauer
Gertraud Bolius
Autor:innen dieser Ausgabe
Nachtrag zu schulheft Nr. 188 Digitalisierung und Bildung:
Auf S. 108 (A. Förschler et al: Wie wirken datengetriebene Lernplattformen? Das Beispiel „Antolin“) haben wir den Verweis auf die Original-Publikation vergessen: Überarbeitete und gekürzte Fassung des Artikels von A. Förschler et al: Zur (ambivalenten) Wirkmächtigkeit datengetriebener Lernplattformen. Eine Analyse des „Antolin“-Leseförderungsprogramms. – In: MedienPädagogik Themenheft 44/2021, S. 52-72.
Editorial
Teaching to the Test
… und was das mit uns allen anstellt
Das österreichische Schulsystem, dessen Organisationsparameter seit jeher dem Aussieben und Umverteilen von Schüler:innen huldigen und diesen untergeordnet sind, erlebt in Verbindung mit aktuellen politischen Konstellationen eine Neubelebung der schon immer unwürdigen Kategorisierung von Menschen: Die klassische Rangfolge von „Sehr Gut“ bis „Nicht Genügend“, die nächste Rangfolge je nach Punktezahl bei den Tests, und so oder so die Umsteuerung, also Lenkung von Kindern und Jugendlichen in die eine oder andere Schultype – bestenfalls ansatzweise reale Leistungsfähigkeiten abbildend.
Diese schulheft-Ausgabe widmet sich dem kritischen Diskurs zu Fragestellungen rund um Tests, Prüfungen, Leistungsrückmeldungen und Noten versus „personalized learning“ und möchte Informationen liefern, Hintergründe erhellen sowie persönliche Betroffenheiten sichtbar machen. Der überparteiliche Verein „Schulautonomie Monitoring Österreich“ hatte für Ende März 2020 in Klagenfurt einen Bildungskongress zum Thema „Hintergründe und Folgen neuer Testverfahren in Bildungseinrichtungen“ fix und fertig organisiert, der dann kurzfristig der Corona-Pandemie zum Opfer fiel. Das vorliegende schulheft soll das Thema weiterverfolgen und vertiefen.
Jahrzehntelang wird (nicht nur in Österreich) um die Sinnhaftigkeit der Ziffernnoten in Verbindung mit schulischen Lernprozessen gerungen. Es wurden viele Alternativen entwickelt und erprobt, pädagogische Hoffnungen gegen die klassische institutionelle Selektion gestellt.
Nicht zuletzt auf Basis dieser kritischen Strömung hat die ministerielle Schulbürokratie, gestützt auf massive politische Interventionen in den letzten Jahren, mehr und mehr Testverfahren in Stellung gebracht – und zwar inzwischen bereits vom Kindergarten aufsteigend bis hin zur Matura. Konsequent und rigide wurden mittlerweile auch selbstherrlich amtlicherseits alle Schulversuche, die alternative Wege erproben, abgestellt.
Aber selbst wenn die heranwachsende Generation alljährlichen standardisierten „Pickerl“-Überprüfungen unterzogen wird: Werden damit Lern-Freude und Neugier der Schüler:innen gesteigert, bessere Lernerfolge gezeitigt, eine den Herausforderungen unserer Zeit entsprechende Bildung erreicht?
Originellerweise sind die „objektivierten“ Tests nur intentional ein Ersatz für die immer schon höchst fragwürdigen Ziffernnoten. Praktisch legt sich über die Schulen und die Pädagog:innen und vor allem über die betroffenen Kinder und Jugendlichen eine immer dichtere Dunstglocke von internen und externen Tests, von auf Schritt und Tritt aufblitzenden Ziffernnoten, neuerdings auch offiziell gewünschten Kommentaren zu diesen Noten.
Wie schnell die rollende Testbatterie ganz reale Selektionsmechanismen befördert und alltagspraktisch beinhart wirksam werden kann, zeigen die MIKA-D Tests (Messinstrument zur Kompetenzanalyse-Deutsch) in Verbindung mit der zentralistisch erzwungenen Einrichtung von Deutschförderklassen.
Was bewirkt dieser Trend bei den Betroffenen? Wie gehen Schüler:innen, Pädagog:innen und Eltern mit den sich verdichtenden Systemzwängen um? Wird Inklusion damit automatisch zu einer Worthülse, hinter der sich de facto unverblümt Exklusion verbirgt?
Ganz grundsätzlich geht Julia Köhler in ihrem Beitrag der Frage von Lerntheorien nach – und was diese in der einen oder anderen Form in der Praxis von Bildungseinrichtungen bewirken.
Qualitätsrahmen, Qualitätsmanagement, Schulentwicklungsplan – so lauten die neuesten ministeriellen Schlagworte und amtlichen Vorgaben für Schulen. James Loparics zeigt in seinem Beitrag auf, inwiefern zwar die Schulen sich hinterfragen sollen/müssen, eine Hinterfragung des amtlichen Qualitätsrahmens aber nicht vorgesehen ist und dies einen weiteren Meilenstein bei der Ökonomisierung des Schulwesens setzt.
Den internationalen Bezug zu teilweise bereits seit Jahrzehnten eingefädelten Testmaschinerien und dazugehörigen quasi-monopolistischen Firmenkonstrukten im Zusammenspiel mit staatlichen Auftraggebern stellt Lorenz Lassnigg in seinem Beitrag unter dem Schlagwort der Outcome-Orientierung her. Österreich springt hier auf einen Zug auf, der schon länger unterwegs ist – aber deswegen keineswegs erfolgversprechender für die Bildungskarriere der heranwachsenden Generation sein muss.
Eine differenzierte Auseinandersetzung zum Thema standardisierter Tests am Beispiel der Bildungsstandardüberprüfung in Österreich, die 2012 implementiert wurde, gelingt Florian Sobanski inseinem Beitrag „Daten – zur Schulentwicklung oder zur Selbstverteidigung?“. Welche Erwartungen daran geknüpft wurden, welche Ressourcen aufgewendet wurden und welche Erkenntnisse und Hoffnungen sich letztendlich eingelöst oder nicht eingelöst haben, sind in diesem Artikel nachzulesen.
Welche Prüfungen und Tests, Schularbeiten und mehr kommen im Schulalltag ständig zum Einsatz? Marlies Adler und Verena Corazza stellen dies in einer Übersicht dar und haben mit zehn Pädagog:innen unterschiedlicher Schultypen (VS, MS, ASO, AHS, HTL) gesprochen. Es eröffnen sich interessante Einblicke, wie es den „Tester:
innen“ mit diesen Instrumentarien geht und wie sich das auf die alltägliche Lernarbeit mit Kindern und Jugendlichen auswirkt.
Wird der Großteil der Schüler:innen mehr und mehr Bewertungstests
innerhalb des Systems unterzogen, so müssen jene mit anderer Muttersprache sich erst erfolgreich mittels Deutschtests ins System hineintesten lassen – oder aber in separaten Schienen eine Sprach-Lern-Warteschleife ziehen. Mi-Cha Flubacher und Verena Plutzar berichten von einem internationalen Kongress in Salzburg 2022 und den daraus resultierenden Forderungen.
Und wie der MIKA-D Test sich in der praktischen Umsetzung aus Sicht von 15 Volksschulpädagog:innen (selbstredend nicht repräsentativ, aber nichtsdestoweniger sehr aufschlussreich) darstellt, das berichten Doris Englisch-Stölner und Gabriele Prokop in ihrem spannenden Bericht.
Die Unvereinbarkeit von Teaching to the Test und Freinet-Pädagogik zeigt Wanda Grünwald auf. Geht es in der Freinet-Pädagogik um den gemeinsamen Erwerb von Handlungsfähigkeit, um Lernen als einen sozialen Prozess, so steht das dem nur am abprüfbaren Zuwachs isolierter Wissenseinheiten orientierten Teaching to the Test diametral entgegen.
Lina Feurstein zeigt in ihrem Beitrag, dass die Coronajahre mit Anpassungen der Leistungsbeurteilung kurz ein Türchen in eine neue Richtung geöffnet hatten, jedoch alle kleinen Schritte der Lockerung von Prüfungs- und Maturaverordnungen zum Leidwesen des Lernens der Schüler:innen längst wieder zurückgenommen wurden.
Joy Muth und Marko Lüftenegger spannen in ihrem Beitrag einen Bogen vom Ursprung der standardisierten Tests zu den heutigen Auswirkungen dieser Tests auf verschiedene Aspekte von Unterrichtsinhalten, Unterrichtsformen und Gelerntem. Sie präsentieren ein Forschungsprojekt, das mit Schüler:innen aus der elften Schulstufe durchgeführt wurde, in dem sie untersuchten, welche TTT-Praktiken zur Vorbereitung auf die Zentralmatura von den Schüler:innen wahrgenommen wurden.
Josef Reichmayr hat sich auf Stimmen- und Spurensuche an vier verschiedenen Schulstandorten und in Kleingruppengesprächen mit sehr unterschiedlich von Tests Betroffenen gemacht und berichtet darüber: teils im Originalton, teils in der Zusammenschau.
Auch die Elternperspektive soll in diesem Mosaik nicht fehlen. Barbara Trautendorfer und Jasmin Hammer schildern ihre persönliche Sicht und daraus resultierende Initiativen.
Bildungserfolg schon im Kindergarten „optimieren“? Welche Erwartungen und Trends zeichnen sich bezüglich Optimierungserwartungen und -bestrebungen bereits im Bereich der „Frühen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE)“ ab und welche Bedeutung hat dies für die institutionelle Begleitung der Kinder bis zum Schuleintritt, z.B. im Zusammenhang mit Inklusion. Fragen wie diese werden in der FBBE diskutiert, aus terminlichen Gründen konnte ein entsprechender Beitrag nicht mehr in diesem Heft untergebracht werden.
Wir hoffen, die Zusammenstellung dieser schulheft-Nummer ist gut gelungen und garantiert Neugier und Erkenntnisgewinn beim Lesen!
Die schulheft-Herausgeber:innen
In den Beiträgen werden unterschiedliche Gender-Schreibweisen und Zitationsrichtlinien verwendet.
Autor:innen dieser Ausgabe
Herausgeber:innen dieser Ausgabe
Verena Corazza
Barbara Falkinger
Julia Köhler
Gabi Lener
Josef Reichmayr
Marlies Adler studierte zwischen 2011 und 2014 Marketing und Sales und arbeitete als Unternehmensberaterin, sowie als Vertriebsmanagerin. Im Zuge einer beruflichen Neuorientierung studiert sie Lehramt für Mathematik und Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung an der Universität Wien und ist seit 2019 Lehrerin an einer inklusiven Mittelschule in Wien sowie Teil der Protestbewegung SCHULE BRENNT.
Verena Corazza, Volksschullehrerin; tätig in unterschiedlichen Berufsfeldern; seit 1990 in Wien als Lehrerin beschäftig, davon 23 Jahre an der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau; seit 13 Jahren Leiterstellvertreterin, Mitorganisatorin des Schulversuchs ILB – eine inklusive, ganztägige öffentliche Schule mit Mehrstufenklassen für 6- bis 15-Jährige.
Doris Englisch-Stölner ist Grundschullehrerin, Ethnologin und seit mehreren Jahren Mitarbeiterin für den Bereich Primarstufe im Sprachförderzentrum Wien, einer Abteilung des Pädagogischen Dienstes der Bildungsdirektion Wien.
Barbara Falkinger, Mittelschullehrerin, Mediatorin und Schulentwicklungsberaterin, leitet eine Mittelschule in Wien.
Lina Feurstein, Bundesvorsitzende der Aktion kritischer Schüler_innen, zuvor AHS-Landesschulsprecherin und Mitglied der Bundesschüler_innenvertretung 2021/22; studiert Vergleichende Literaturwissenschaften und Rechtswissenschaften an der Universität Wien.
Mi-Cha Flubacher ist Angewandte Sprachwissenschafterin (Universität Wien, Institut für Sprachwissenschaft) und seit Jahren engagiertes Mitglied im Netzwerk SprachenRechte.
Wanda Grünwald ist Volksschullehrerin in Wien, Obfrau der freinetgruppe Wien (https://freinetgruppewien.wordpress.com/) und Schriftführerin der Kooperative Freinet Österreich (https://www.kooperative-freinet.at/)
Jasmin Hammer, geb. in Hamburg, lebt dzt. in Wien; Theatermalerin und Bühnengestaltung; Mitstreiterin in der Initiative „BESSERE SCHULE JETZT!“, die sich vorwiegend für mehr Ressourcen, echte Inklusion und gerechte Chancen für alle Kinder in den Wiener Pflichtschulen einsetzt. Ein Sohn, geb. 2014; besucht eine integrative Mehrstufenklasse in der GTVS 3 Landstraße.
Julia Köhler studierte zunächst Schauspiel an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien und später Bildungswissenschaft an der Universität Wien. Sie ist Senior Lecturer am Zentrum für Lehrer*innenbildung, Universität Wien; Lektorin u.a. an der Akademie der bildenden Künste, Wien; Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Theaterpädagogik, Kulturelle Bildung.
Lorenz Lassnigg, Senior Researcher am IHS-Institut für Höhere Studien Wien, Forschungsgruppe equi-Education and Employment, arbeitet zu Fragen der Bildungspolitik.
Gabi Lener, Soziologin und Sonderpädagogin, leitet eine Ganztagsvolksschule in Wien.
James Loparics studierte das Lehramt für Hauptschulen, Erziehungswissenschaft und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Berufserfahrung als Freizeitpädagoge und Psychotherapeut, Lehrerfahrung an Volksschule, Neuer Mittelschule, der Pädagogischen Hochschule und der Universität. Gegenwärtig Universitätsassistent an der Johannes Kepler Universität Linz an der Abteilung für Bildungsforschung.
Marko Lüftenegger hat Psychologie studiert, 2012 zum Thema „Lebenslanges Lernen als Ziel von Unterricht“ promoviert und sich 2019 im Fach Psychologie habilitiert. Er leitet seit 2017 den Arbeitsbereich „Entwicklungspsychologie und Bildungspsychologie im Schulalter“ am Institut für Lehrer*innenbildung und am Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung an der Universität Wien.
Joy Muth studierte Psychologie an der Universität Wien, wo sie 2019 zum Thema „The effect of testosterone on social choice preferences in a repeated competition game” ihre Masterarbeit schrieb. Derzeit Doktorandin am Zentrum für Lehrer*innenbildung der Universität Wien, wo sie ihre Doktorarbeit zum Thema „Teaching to the test in Austrian secondary schools“ verfasst.
Verena Plutzar forscht seit 1991 zu den Themen Sprachelernen im Kontext von Migration und Flucht in und an Erwachsenenbildungsinstitutionen, NGOs, Universitäten, Schulen und Kindergärten, Mitbegründerin des Netzwerk SprachenRechte, seit 2020 Hochschullehrende an der KPH Wien/Krems.
Gabriele Prokop ist seit vielen Jahren Schulleiterin an einer öffentlichen Pflichtschule in Wien und in Organisationsentwicklung und systemischer Beratung ausgebildet und war für die PH Wien als Referentin und Beraterin tätig.
Josef Reichmayr, aufgewachsen in Graz, u.a. als Speditionsarbeiter, Hotelgehilfe, Schofför tätig. Volks- und Sonderschullehrer (VS Pfeilgasse), Schwerpunkte alternative Leistungsbeurteilung, offenes Lernen, Integration. Schulleiter (Integrative Lernwerkstatt Brigittenau: gemeinsame Schule von 6 – 15) bis 2019. Mitbegründer von Humane Schule, Österreichische BildungsAllianz, Schulplattform Österreich, Schulautonomie Monitoring Österreich – Überparteiliches Lobbying für kindergerechte Schulen.
Florian Sobanski arbeitet seit 2019 an der Pädagogischen Hochschule Wien im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Gegenwärtig schließt er eine Ausbildung als Schulentwicklungsberater ab. Zuvor war er zehn Jahre lang im Bildungsministerium u.a. mit dem Aufbau des BIFIE sowie mit Vorhaben im Bereich der datengestützten Schulentwicklung (z.B. Projektleitung „GruKo“ 2017-2019) befasst.
Barbara Trautendorfer, geb. 1980 in OÖ, lebt seit 2001 in Wien, zwei Kinder (2012, 2014), verheiratet, beruflich gewerkschaftlich
verortet, Öffentlichkeitsarbeit, leidenschaftlich engagiert für Themen wie Bildungspolitik, Gleichberechtigung, Kinderrechte, Inklusion.
Bestellen
Studienverlag: Schulheft 189
Digitalisierung und Bildung
Materialien zu einem problematischen Verhältnis
Klappentext
Digital unterstütztes Lernen, so ein großes Versprechen, ermöglicht es, Schüler:innen besser individuell zu fördern. Eine kritische Auseinandersetzung mit Digitalisierungsprozessen offenbart jedoch, dass – angetrieben und befeuert durch die ökonomische Macht der großen digitalen Player – aktuell vor allem vorhandene Trends zur Individualisierung von Verantwortung und Kompetenzorientierung befördert werden. Dabei bleiben, so die Essenz dieses schulhefts, solidarisches Lernen und Bildung im Sinne einer Transformation von Selbst- und Weltverhältnissen zunehmend auf der Strecke.
Inhalt
Editorial
Grundsätzliches
Sieglinde Jornitz, Felicitas Macgilchrist
Datafizierte Sichtbarkeiten und schulische Praxis
Was die Digitalisierung (un)sichtbar macht
David Haselberger, Fares Kayali
Dorothy und die Zauberer der Digitaltechnik
Zur Dialektik der digitalen Bildung
Käte Meyer-Drawe
Im Verborgenen lernen: Künstliche Intelligenz
Juliana Rossi Duci, Luiz A. Calmon Nabuco Lastória,
João Mauro G. V. de Carvalho
Eine Phantasie der Allmacht
Vom Versprechen des an die Technologie angepassten Lernens
Politische Aspekte
Katarina Froebus, Daniela Holzer
Universitäre Online-Lehre: Machtverschiebungen und neue Disziplinierungsräume
Inken Heldt
Mehr als Fake News, Facebook und Filterblasen
Politische Bildung in einer von Digitalität geprägten Welt
Fokus Schule
Gesine Kulcke
Vom Schmuddelheftchen zum Schmuddelvideo
Vorstellungen von Lehramtsstudent:innen über das Internet
Annina Förschler, Sigrid Hartong, Anouschka Kramer, Claudia Meister-Scheytt und Jaromir Junne
Wie wirken datengetriebene Lernplattformen?
Das Beispiel «Antolin»
Heike Deckert-Peaceman, Gerold Scholz
Click and Drop. Über schulisches Wissen am Beispiel der Lernplattform Anton
Lydia Brack, Gesine Kulcke
Die Rede über Erklärvideos
Von der Exklusion des lernenden Subjekts
Eva Neureiter
Freie Medien und Bildungsarbeit
Autor:innen dieser Ausgabe
Editorial
Mit der Feststellung, dass in der aktuellen Debatte über Digitalisierungsprozesse, die den Bildungsbereich betreffen, bildungstheoretische Annahmen und Erkenntnisse immer wieder übergangen werden, haben wir für die aktuelle Ausgabe des Schulhefts vor allem versucht, einen bildungstheoretischen Zugriff auf das Thema in den Vordergrund zu stellen.
In der von politischen Entscheidungsträger:innen forcierten „Digitalisierungsoffensive“ erkennen wir einen verstärkten bildungspolitischen Ein- bzw. Angriff zugunsten von Kompetenzorientierung und Individualisierung, der sichtbar zu machen ist. Hervorgebracht wird ein „Bildungs“-Verständnis, das mit einem aufklärerischemanzipatorischen Bildungsbegriff nicht mehr viel zu tun hat. Diese Verkürzung von Bildung, Schule und Digitalisierung bildet sich auch auf den Wirtschaftsseiten der Tagezeitungen ab, wenn z.B. die (österreichische) Online-Nachhilfe-Firma GoStudent als „die größte Schule der Welt“ vorgestellt wird. Im Digitalisierungsdiskurs wird hier ein Nachhilfe-Institut, das online und tendenziell global agiert, mit Schule gleichgesetzt. Dieser Verkürzung wollen wir etwas entgegensetzen.
Thema ist für uns aber auch die ökonomische Privatisierung, denn neben den Schulbuchverlagen erobert mit den IT-Konzernen
eine zweite, im Vergleich zu den Verlagen deutlich finanzstärkere Gruppe von Playern die Bühne. Schulbuchverlage und IT-Konzerne arbeiten inzwischen gut zusammen. In von Unternehmen bereitgestellten digitalen Lernumgebungen werden Learning Analytics und Visualisierungssoftware eingesetzt, die Lerndaten multidimensional und übertragbar darstellen. Es kommt offensichtlich zu einer Verquickung von Interessen privater Konzerne mit der grundsätzlich staatlichen Bildungspolitik.
Unter den Autor:innen, die wir für unser Vorhaben gefunden haben, sind u.a. Gründer:innen der Netzwerkinitiative UNBLACKTHEBOX (unblackthebox.org), die ihr Programm schon im Namen trägt. Es geht darum, einen Zugang zu den oft verdeckten Logiken, Prozessen und gesellschaftlichen Zusammenhängen von Datafizierung und Digitalisierung, Algorithmen und KI zu ermöglichen. Wir empfehlen unseren Leser:innen unbedingt, die Dienste dieser Initiative
zu nutzen.
Die Beiträge dieser Nummer haben wir in drei Kapitel gegliedert: 1. Grundsätzliches; 2. Politische Aspekte; 3. Fokus Schule.
Ganz im Sinne der oben genannten Initiative liefern Sieglinde Jornitz und Felicitas Macgilchrist im ersten Beitrag Datafizierte Sichtbarkeiten und schulische Praxis Einblicke in die Mechanismen und Prozesse, die vor, auf und hinter der Bühne des digital unterstützen Unterrichts ablaufen. Ausgehend von Foucaults Überlegungen – Stichwort Panopticon – analysieren die Autorinnen die konkreten digitalen Anwendungen einer Lehrerin. Darüber hinaus zeigen sie auf, welche digitalen Player auf den diversen Clouds der unsichtbaren Hinterbühne mitspielen.
In ihrem Essay Dorothy und die Zauberer der Digitaltechnik legen die beiden Informatiker David Haselberger und Fares Kayali ihre Überlegungen zu einer kritischen Didaktik digitaler Bildung dar. Ihre Absicht ist es, die Scheu, die viele von uns beim Stichwort „Digitalisierung“ befällt, zu entzaubern, also die naturwissenschaftlichtechnische Grundlage als hinterfragbar darzulegen.
Käte Meyer-Drawe zieht in ihrem Essay Im Verborgenen lernen: Künstliche Intelligenz Parallelen zwischen der „epistemischen Opazität“, also der Nicht-Durchschaubarkeit, von KI und der Erkenntnis, dass Lernen grundsätzlich im Verborgenen stattfindet. Ihre Thesen lösten bei den Redaktionssitzungen Diskussionen aus, die wir gerne weiterführen würden. Dazu laden wir alle Leser:innen ein. Bitte schicken Sie uns Ihre Beiträge per Mail an kontakt@schulheft.at. Wir werden auf unserer Homepage www.schulheft.at ein Diskussionsforum einrichten, in dem wir uns zugesandte Beiträge veröffentlichen.
Sozusagen die Kehrseite des Verborgenen, nämlich die Allmachtsphantasien, beleuchten Juliana Rossi Duci, Lutz A. Calmon, Nabuco Lastoria und Joao Mauro de Carvalho in ihrer Analyse des Webauftritts der Lernplattform Moodle: Eine Phantasie der Allmacht. Ziel ihrer Analyse ist es, die dargestellte Ermächtigung des Subjekts als leer und im Endeffekt als Verherrlichung neoliberaler Entwürfe vom Individuum zu entlarven.
Um Ermächtigung bzw. Machtverhältnisse geht es auch im ersten Beitrag im Abschnitt Politische Aspekte. In ihrer Studie zur Universitären Online-Lehre: Machtverschiebungen und neue Disziplinierungsräume legen Katarina Froebus und Daniela Holzer dar, welche Veränderungen die unfreiwillige Verlegung der Lehre in den virtuellen Raum mit sich gebracht haben, und versuchen eine erste kritische Einschätzung.
Inken Heldt wendet sich in ihrem Beitrag Mehr als Fake News, Facebook und Filterblasen: Politische Bildung in einer von Digitalität geprägten Welt gegen die weitverbreitete Sprachregelung und Gegenüberstellung von „digitaler“ und „analoger“ Bildung. Sie präsentiert eine systematische Darstellung des Lernens „mit“ und „über“ digitale Medien und diskutiert die Implikationen für die Politische Bildung.
Ein geplanter dritter Artikel über feministische Aspekte der Digitalisierungsproblematik ist leider nicht zustande gekommen.
Dem Abschnitt Fokus Schule haben wir fünf Beiträge zugeordnet. Dazu gehört der Aufsatz Vom Schmuddelheft zum Schmuddelvideo. Vorstellungen von Lehramtsstudent:innen über das Internet, in dem Gesine Kulcke ausgehend von Ergebnissen aus ihrem Dissertationsprojekt eine Ausdifferenzierung der vorschnellen Annahme präsentiert, (angehende) Lehrkräfte würden das Potenzial digitaler Medien für den Grundschulunterricht nicht erkennen, weil sie diese auf Lehr- und Lernwerkzeuge reduzierten und trotz aktueller Digitalisierungsprozesse in ihrem Unterricht weiterhin von einer Buchkultur ausgingen.
Der Beitrag mit dem Titel Wie wirken datengetriebene Lernplattformen? Das Beispiel «Antolin» von Annina Förschler, Sigrid Hartong, Anouschka Kramer, Claudia Meister-Scheytt und Jaromir Junne beschreibt die Analyse des Leseförderprogramms Antolin, mit der die Autor:innen die Regulierung von Bildung, Praktiken und Beziehungen durch ein von Daten und Algorithmen geprägtes Gesamtgefüge herausarbeiten.
Heike Deckert-Peaceman und Gerold Scholz nennen ihren Aufsatz Click and Drop. Über schulisches Wissen am Beispiel der Lernplattform Anton. Sie beschreiben die Nutzung der App, um das in dieser für den Sachunterricht aufbereitete Thema Wasser mit der Aufbereitung in verschiedenen Schulbüchern aus den vergangenen 20 Jahren vergleichen zu können. Dabei wird deutlich, dass das digital hervorgebrachte didaktische Konzept von Anton eingebunden ist in eine Entwicklung, die sich bereits in analogen Schulmaterialien abzeichnet.
In Die Rede über Erklärvideos: Von der Exklusion des lernenden Subjekts verweisen Lydia Brack und Gesine Kulcke darauf, dass „Bildung als eine soziale Praxis verstanden werden muss, die auf den Anderen als Bedingung für ein responsives Antwortverhalten angewiesen ist“ (Schröder 2021, 98). Sie leiten daraus die von ihnen diskursanalytisch
bearbeitete Frage ab, welche Interaktionsmöglichkeiten zwischen Lehrkraft und Schüler:innen in aktuellen pädagogischen und fachdidaktischen Texten über Erklärvideos hervorgebracht werden.
Eva Neureiter nimmt als Radiomacherin und Lehrerin die Fachtagung Freie Medien und Bildungsarbeit zum Anlass, Freie Radios, den Schülerradiotag und die zunehmende Popularität von Podcasts in ihrer Bedeutung für die Umsetzung des neuen Lehrplans für Digitalisierung zu präsentieren.
Literatur
Schröder, S. (2021). Die Vermessung des Lernens. Objektivierung und Subjektivierung in digitalen Lernplattformen. In: Pädagogische Korrespondenz, 63 (1). 85–110.
Autor*innen dieser Ausgabe
Redaktion
Tobias Becker
Florian Jilek-Bergmaier
Gesine Kulcke
Eva Neureiter
Michael Sertl
Tobias Becker, Volksschullehrer in Wien.
Lydia Brack, Erziehungswissenschaftlerin an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, Forschungsschwerpunkte: Professionalisierung, Subjektivierung, Bildung und Digitalität.
João Mauro Gomes Vieira de Carvalho, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe „Teoria Crítica: tecnologia, cultura e formação“, São Paulo State University (Unesp), School of Humanities and Sciences, Araraquara.
Heike Deckert- Peaceman, Professorin für Erziehungswissenschaft/Grundschulpädagogik und Kindheitsforschung an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Arbeitsgebiete: Grundschulpädagogik, Curriculum Studies, Kindheitsforschung, Holocaust Education.
Juliana Rossi Duci, Dozentin für Pädagogik an der Faculdade SESI de Educação, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centro de Educação e Ciências Humanas, Universidade Federal de São Carlos (UFSCar), Forschungsgruppe „Teoria Crítica e Educação“.
Annina Förschler, Doktorandin an der Professur für Soziologie, insb. Transformation von Governance in Bildung und Gesellschaft an der HSU Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Datafizierung und Digitalisierung von Bildung und Bildungsadministration, Policy Network Analysis.
Katarina Froebus war bis 2021 Universitätsassistentin am Institut für Bildungsforschung und PädagogInnenbildung der Universität Graz. Sie arbeitet zu ungleichheitssensibler Professionalisierung, kritischer Bildungstheorie nach der Subjektkritik sowie Kollektiver Erinnerungsarbeit und biographisch-reflexiven Zugängen zu Bildungsungleichheit.
Sigrid Hartong, Prof. für Soziologie, insb. Transformation von Governance in Bildung und Gesellschaft an der HSU Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Datafizierung und Digitalisierung von Bildung und Gesellschaft, algorithmische Steuerung, international vergleichende Forschung.
David Haselberger unterrichtet Software Engineering am Technologischen Gewerbemuseum Wien. An der Universität Wien gestaltet er als externer Lektor Diskursräume zu sozialen Aspekten der Informatik.
Inken Heldt lehrt und forscht als Juniorprofessorin mit den Schwerpunkten Diskriminierungs-kritik und Menschenrechte, Digitalisierung und internationale Dimensionen der Politischen Bildung an der Universität in Kaiserslautern und hatte 2019–2020 eine Gastprofessur für Digital Citizenship Education an der Universität Wien inne.
Daniela Holzer ist Assoziierte Professorin im Arbeitsbereich Erwachsenen- und Weiterbildung am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz. Ihre Forschungen richten einen kritischen Blick auf Erziehungswissenschaft und Erwachsenenbildung in aktuellen Gesellschafts- und Herrschaftsverhältnissen.
Florian Jilek-Bergmaier ist Lehrer an einer Mittelschule in Wien und schulheft-Mitherausgeber.
Sieglinde Jornitz arbeitet als Erziehungswissenschaftlerin am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt/Main. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf internationalen Reformmaßnahmen und ihren Auswirkungen auf die Schulpädagogik in Deutschland.
Jaromir Junne, Institut für Controlling und Unternehmensrechnung an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, forscht zur Steuerung von Digitalisierungsprozesse in öffentlichen und gemeinnützigen Organisationen.
Fares Kayali ist Professor für Digitalisierung im Bildungsbereich und Gründer des Computational Empowerment Labs am Zentrum für Lehrer:innenbildung der Universität Wien. Seine Forschung und Lehre finden im interdisziplinären Spannungsfeld zwischen Informatik, Didaktik und Gesellschaft statt. Dabei beschäftigt er sich unter anderem mit Nutzer:innen-zentriertem Design, kritischen Aspekten des digitalen Wandels und digitalen Spielen.
Gesine Kulcke, Institut für Erziehungswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, forscht und lehrt zu Medien im Kontext von Grundschul- und Kindheitspädagogik.
Luiz A. Calmon Nabuco Lastória, Prof. für Sozial- und Erziehungspsychologie an der São Paulo State University (Unesp), School of Humanities and Sciences, Araraquara, Koordinator in der Forschungsgruppe „Teoria Crítica: tecnologia, cultura e formação“.
Felicitas Macgilchrist leitet die Forschungsabteilung „Mediale Transformationen“ am Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut. Sie forscht an der Schnittstelle von Medien und schulischer Bildung mit einem besonderen Fokus auf dem sozialen und politischen Kontext von Bildung in der digitalen Welt.
Claudia Meister-Scheytt, Institut für Personal und Arbeit an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, forscht zu Personalentwicklung und Governance in Bildungsorganisationen.
Käte Meyer-Drawe ist Univ.-Professorin i. R. für Allgemeine Pädagogik an der Ruhr-Universität Bochum und ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. https//orcid.org/0000-0003-4265-4590.
Eva Neureiter, Volksschullehrerin in Wien, Freinetpädagogin, Radiomacherin, regelmäßige Teilnehmerin der Fachtagung „Freie Medien und Bildung“.
Gerold Scholz, Prof. für Erziehungswissenschaft/Grundschulpädagogik an der Goethe-Universität Frankfurt/M. (i.R.). Arbeitsgebiete: Kindheitsforschung, Theorie der Didaktik des Sachunterrichts.
Michael Sertl, Prof. für Humanwissenschaften an der PH Wien (i.R.), ehemaliger Hauptschullehrer, Soziologe. Forschungsschwerpunkte: Schule und soziale Ungleichheit, soziologische Theorie der Schule und des Unterrichts.
Bestellen
Studienverlag: Schulheft 188
Theater.Pädagogik.Schule
Klappentext
Das vorliegende schulheft zeigt die Theaterpädagogik in einem vielfältigen Spektrum zwischen theoretischen Überlegungen und praktischer Umsetzung im Kontext Schule. Von der bildungswissenschaftlichen Verankerung des Fachs Theater in der Schule bis hin zu theaterpädagogischen Ansätzen und Arbeitsweisen wird in der vorliegenden Publikation die Relevanz theaterpädagogischer Arbeit deutlich gemacht.
Inhalt
Einleitung
Theater.Pädagogik.Theorie
Ute Pinkert
Überlegungen zum aktuellen Bildungsverständnis in der Theaterpädagogik
Gregor Ruttner-Vicht
Theaterpädagogik als Schule des Lebens
Birgit Fritz
Theater zwischen Therapie und Pädagogik
Die Freude am Spiel als heilsames Erleben – eine Hinführung
Theater.Fach.Schule
Julia Köhler
Wer hat Angst vor dem Fach Theater?
Ole Hruschka
Zur Qualifikation von Theaterlehrenden (in Deutschland)
Bestandsaufnahme und Ausblick
Stephan Engelhardt
Theater als Auftrag
Theater.Pädagogik.Improvisation
Alexander Hoffelner
Improvisationstheater und Bildung
Das Bildungspotenzial der Ansätze von Viola Spolin, Keith Johnstone und Augusto Boal
Alice Mortsch
„Slow Improv“
Die Bedeutung von Langsamkeit, Achtsamkeit und Flow im Improvisationstheater
Gunter Lösel
Die Kunst, das Script zu zerreißen
Improvisationstheater in der Lehrer:innenausbildung
Theater.Pädagogik.Projekte
Stephanie Frühwirt
„Nur im Spiel“ – Theaterspiel in der Elementarpädagogik
Katharina Siebert
Wenn Worte meine Sprache wär’n
(oder: Wie man durch Dramapädagogik reich wird)
Marion Seidl-Hofbauer
Die Jeux Dramatiques und der Staatspreis für innovative Schulen
Eine coole Schule und die Jeux Dramatiques
Nathalie Fratini
Projet Apprentissage sur scène
Lernen anhand der Konzeption von Theaterproduktionen
Bernadette de Martin & Christian Martinsich
Erfahrungsräume öffnen, Lernen leben, Haltung zeigen mit eSPRiT
Autor*innen dieser Ausgabe
Einleitung
Theaterpädagogik ist spätestens seit den 1980er Jahren im deutschsprachigen Raum ein etablierter Begriff (vgl. Streisand 2012, 14). Sie stellt eine besondere Form der künstlerischästhetischen Auseinandersetzung im Kontext pädagogischer Settings dar. Das Wort selbst verbindet im Prinzip zwei Disziplinen, die hier zusammengeführt werden, nämlich das Theater und die Pädagogik. Die Theaterpädagogik könnte somit sowohl Pädagogik des Theaters als auch auf das Theatrale fokussierte Pädagogik sein (vgl. Vaßen 2012, 53). In den letzten Jahrzehnten hat sie sich innerhalb kultureller Institutionen wie Theater und Museen sowohl im internationalen wie auch im nationalen Umfeld etabliert. Auch in schulischen und hochschulischen Kontexten werden vermehrt theatrale Arbeitsweisen und deren Wirkungen auf Lehrund Lernprozesse erforscht und praktiziert. Theaterpädagogische Arbeitsweisen auch in der Schule bzw. in der Ausbildung von Lehrer:innen (vgl. Köhler 2017; Köhler & Hoffelner 2022) einzusetzen, kann dabei großes Potenzial bergen.
Im Unterschied zu den in Schulen strukturell relativ gefestigten musischen und bildenden Künsten, scheint ein großer „Aufholbedarf“ im Kontext der Theaterpädagogik gegeben, dem die derzeitige schulpolitische bzw. hochschulpolitische Lage in Österreich wenig Beachtung schenkt. Obwohl es nach wie vor nicht einfach ist, die Transfereffekte theatraler Arbeit belastbar zu erforschen, halten theaterpädagogische Arbeitsweisen respektive das Fach Theater in der Schule, so die These der Redakteur:innen, ein hohes Potenzial an Lehr- und Lernmöglichkeiten bereit, die zur Nachhaltigkeit von Wissensbeständen beitragen und kreative Potenziale fördern können. Die Theaterpädagogik integriert „als ‚unreine‘ Kunstform Sprache, Musik, bildende Kunst, Video, Medien, Sport, Tanz etc. Die damit verbundene inhaltliche und kulturelle Komplexität und genuine Interdisziplinarität“ (Liebau 2009, 58) ermöglicht wie kein anderer Zugang im ästhetischen und pädagogischen Umfeld sowohl in den einzelnen Unterrichtsfächern als auch fächerübergreifend und vor allem als eigenes Unterrichtsfach mannigfache Lehr- und Lernprozesse.
Das vorliegende schulheft zeigt demgemäß ein Spektrum von theoretischen Grundlagen bis hin zu praktischen Arbeitsweisen im Feld der Theaterpädagogik. Die Publikation ist in vier Themenfelder gegliedert: (1) Theater.Pädagogik.Theorie (2) Theater.Fach.Schule (3) Theater.Pädagogik.Improvisation (4) Theater.Pädagogik.Projekte.
Theater.Pädagogik.Theorie Im ersten Beitrag wirft Ute Pinkert einen differenzierten Blick auf die bildungswissenschaftliche Verankerung der Theaterpädagogik und plädiert für einen fachlich fundierten Diskurs. Die fachwissenschaftliche Richtung, so die Autorin, denkt Theater in der Schule von den Bedingungen der Kunstform Theater und deren Einbettung in gesellschaftliche Zusammenhänge aus. Sie wendet sich gegen eine „Komplexitätsreduktion“ der Kunstform im Unterricht, die mit einer Reduzierung von Verfahren der darstellenden Künste auf sogenannte „ästhetische Mittel“ einhergeht. Gregor Ruttner-Vicht skizziert in seinem Artikel anhand der skills for the 21st century die Möglichkeiten theaterpädagogischer Arbeit im außerschulischen Bereich. Birgit Fritz gibt in ihrem Text einen Einblick in therapeutische Arbeitsweisen, die sich der theatralen Arbeit verschrieben haben. Sie thematisiert dabei nicht nur die Entstehung von Theatertherapien, sondern widmet sich auch der Frage, inwieweit theaterpädagogische und theatertherapeutische Ansätze abzugrenzen wären. Ein weiterer Artikel mit dem Titel „Die Möglichkeit den Habitus mit dem Theater der Unterdrückten zu verändern“ ist von Thomas Stölner auf unserer Homepage www.schulheft.at zu finden.
Theater.Fach.Schule Julia Köhler stellt zunächst die grundsätzliche Frage, warum das Fach Theater in den heimischen Lehrplänen nicht verankert ist und eröffnet somit das Themenfeld. Ole Hruschka diskutiert in seinem Beitrag die Möglichkeiten des Fachs Theater und die damit verbundenen Qualifikationen der Lehrer:innen, die dieses Fach unterrichten. Auch in Deutschland ist es so, dass die meisten Theatervermittler:innen an den Schulen eher mittels Fortbildungen, Weiterbildungsmaßnahmen oder einem Ergänzungs- bzw. Aufbaustudium das Fach Theater unterrichten, ein Umstand, der wohl in keinem anderen Fach so denkbar wäre, so Hruschka. Beispielhaft beschreibt der Autor anhand des niedersächsischen Kooperationsstudiengangs die Inhalte eines grundständigen Studienganges, mit denen angehende Theaterlehrer:innen konfrontiert werden und vertritt die These, dass theaterpädagogische Studiengänge als „Indikator und Motor von Professionalisierungsprozessen” (Wartemann 2018, 132) fungieren müssen. Stephan Engelhardt nimmt das Theater in der Schule als eine Ressource für den Erhalt der psychischen Gesundheit von Jugendlichen wahr. In seinem Beitrag beschreibt er die besonderen didaktischen und pädagogischen Möglichkeiten des Fachs Theater anhand eines konkreten Beispiels in einer gymnasialen Oberstufe.
Theater.Pädagogik.Improvisation Ein eigener Schwerpunkt des Buches liegt auf dem Improvisationstheater und seinem Potenzial für Bildungsprozesse. Alexander Hoffelner macht dabei allgemein das Thema der Improvisation in Bildungsprozessen auf, klärt einführend Begriffe und zeigt danach anhand von drei der populärsten Vertreter:innen (Viola Spolin, Keith Johnstone und Augusto Boal) das Bildungspotenzial, das diese selbst in ihren Ansätzen sahen. Im Anschluss daran plädiert Alice Mortsch für eine Entschleunigung in unserer ohnehin sehr schnelllebigen Zeit. Unter dem Motto Slow Impro möchte sie eine Herangehensweise an das Improvisationstheater zeigen, die – ähnlich dem Prinzip Slow Food – zu mehr Achtsamkeit, Ruhe und Fokus führen kann. Gunter Lösel fokussiert die Arbeit von Lehrer:innen in der Schule unter dem Blickwinkel der Improvisation. Er beschreibt dabei die Kunst, das Script zu zerreißen und skizziert pädagogisches Handeln als primär improvisatorisches Handeln.
Theater.Pädagogik.Projekte Stephanie Frühwirt weist in ihrem Beitrag auf die Relevanz theaterpädagogischer Arbeit im elementarpädagogischen Bereich hin und macht auf mangelnde Möglichkeiten aufmerksam. Katharina Siebert lässt sich in ihrem Beitrag von Tim Bendzkos „Wenn Worte meine Sprache wären“ inspirieren und widmet sich der theaterpädagogischen Umsetzung von Kinderliteratur in der Primarstufe. In Anlehnung an das Buch „Die große Wörterfabrik“ (de Lestrade & Docampo 2010) zeigt sie die potenzielle Einbindung eines vielfältigen dramapädagogischen Repertoires an einem konkreten Beispiel für den Unterricht auf. Marion Seidl-Hofbauer beschreibt in ihrem Beitrag Arbeitsweisen der Jeux Dramatiques im Zuge eines mehrjährigen Projekts in einer Volksschule in der Steiermark, die 2021 für den Staatspreis Innovative Schulen nominiert wurde. Nathalie Fratini behandelt in ihrem Text das Projekt PASS Projet Apprentissage sur scène, das in Luxemburg durchgeführt wurde. Ziel des Projekts war es, mittels theaterpädagogischer Methoden schulische Kompetenzen zu fördern. Die Autorin beschreibt das Projekt mit all seinen Möglichkeiten und auch Grenzen u. a. im Rahmen der in Luxemburg vorherrschenden Sprachvielfalt in den Schulen. Bernadette de Martin und Christian Martinsich stellen das Projekt eSPRiT vor, das seit September 2019 in der Sekundarstufe I an einem Wiener Gymnasium realisiert wird. Das Projekt verfolgt das Ziel, Jugendliche mittels theater- und musikpädagogischer Elemente für die heutige Welt und ihre Herausforderungen fit zu machen.
Das vorliegende schulheft zeigt damit ein Spektrum unterschiedlicher Ansätze im Feld der Theaterpädagogik, die sich aus theoretischen Überlegungen und praktischen Ansätzen speisen. Mit Florian Vaßen können Theaterpädagog:innen als Kartograph:innen verstanden werden, „die das scheinbar bekannte, aber doch immer wieder unbekannte, unerforschte, ungewisse Terrain des Theaters begehen, sichten und ,vermessen‘. Dabei werden Fremdes und Befremdliches
ebenso sichtbar wie Alltägliches und Altbekanntes, Differenzen und Potenzialitäten, Wiederholungen und Variationen, Spiel und Wirklichkeit.“ (Vaßen 2012, 61) In diesem Sinne kann auch dieses Buch gelesen werden, als Beschäftigung mit dem Vertrauten, das gleichwohl unvertraut ist, mit dem Bekannten, das gleichwohl unbekannt ist, und mit dem Alten, das uns auch als Neues und potenziell Anderes erscheinen darf.
Literatur
de Lestrade, Agnès; Docampo, Valeria (2010): Die große Wörterfabrik (3. Aufl.). München: Mixtvision.
Jahnke, Manfred (2012): Skizze einer Vorgeschichte der Theaterpädagogik vom 10. Jahrhundert bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. In: Nix, Christoph; Sachser, Dieter; Streisand, Marianne (Hg.): Lektionen 5. Theaterpädagogik. Berlin: Theater der Zeit, 36–44.
Köhler, Julia (2017): Theatrale Wege in der Lehrer/innenbildung. Theaterpädagogische Theorie und Praxis in der Ausbildung von Lehramtsstudierenden. München: kopaed.
Köhler, Julia; Hoffelner, Alexander (2022): Macht – Theater – Angst: Von Sinn und Möglichkeit theaterpädagogischer Arbeit. In: schulheft 185, 134–145.
Liebau, Eckart (2009): Theatrale Bildung. Produktions- und rezeptionsästhetische Perspektiven der darstellenden Künste. In: Schneider, Wolfgang
(Hrsg.): Theater und Schule. Ein Handbuch zur kulturellen Bildung. Bielefeld: transcript Verlag, 53–64.
Pinkert, Ute; Driemel, Ina; Kup, Johannes; Schüler, Eliana (2021): Positionen und Perspektiven der Theaterpädagogik. Milow: Schibri Verlag.
Streisand, Marianne (2012): Geschichte der Theaterpädagogik im 20. und 21. Jahrhundert. In: Nix, Christoph; Sachser, Dieter; Streisand, Marianne (Hg.): Lektionen 5. Theaterpädagogik. Berlin: Theater der Zeit, 14–35.
Vaßen, Florian (2012): Theater ± Pädagogik. Korrespondenzen von Theater und (Theater-)Pädagogik. In: Nix, Christoph; Sachser, Dieter; Streisand,
Marianne (Hg.): Lektionen 5. Theaterpädagogik. Berlin: Theater der Zeit, 53–63.
Wartemann, Geesche (2018): Abgrenzungen und Anpassungen. Eine professionsgeschichtliche Skizze der Theaterpädagogik am Theater. In: Roselt, Jens; Krankenhagen, Stefan (Hg.): De-/Professionalisierung in den Künsten und Medien. Formen, Figuren und Verfahren einer Kultur des
Selbermachens. Berlin: Kadmos, 126–140.
Autor*innen dieser Ausgabe
Redaktion
Alexander Hoffelner
Julia Köhler
Bernadette de Martin, Mag., MA, Lehramtsstudium Deutsch und Psychologie/Philosophie sowie Ethik an der Universität Wien; Unterrichtstätigkeit Deutsch als Fremdsprache in Exeter (UK); Masterlehrgang für Theaterpädagogik. Im Rahmen der Unterrichtstätigkeit am GRg3 Hagenmüllergasse Leitung der Unverbindlichen Übung Darstellendes Spiel; Mitinitiatorin des Schwerpunkts eSPRiT; Mitbegründung des Jugendtheatervereins Junge Bühne eSPRiT.
Stephan Engelhardt, Mag. Dr., Theaterpädagoge, Kunstpädagoge, Psychotherapeut für KIP in eigener Praxis, Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche. Kontakt: stephanengelhardt 1@gmail.com
Nathalie Fratini, Mag. Dr., promovierte Theaterwissenschaftlerin mit den Schwerpunkten Theaterpädagogik, kulturelle Bildung und performative Unterrichtsmethoden. Mitarbeiterin im Bildungsministerium in Luxemburg im Bereich der Curriculumentwicklung sowie der Lehrer:innenbildung in Bezug auf die Berufsausbildung. Lehraufträge an den Universitäten Wien und Luxemburg, der Hochschule Mannheim sowie dem Nationalen Institut für Bildung in Luxemburg.
Birgit Fritz, Dr., Theaterpädagogik und Theatertherapeutin. Dozentin für transformative Theaterarbeit in sozialen Feldern an der FH Würzburg- Schweinfurt, Autorin von InExActArt – Ein Handbuch zur Praxis des Theaters der Unterdrückten und Von Revolution zu Autopoiese. Auf den Spuren Augusto Boals ins 21. Jahrhundert. Das Theater der Unterdrückten im Kontext von Friedensarbeit und einer Ästhetik der Wahrnehmung. Mitgründerin der Österreichischen Gesellschaft für Drama- und Theatertherapie. http://www.oegdtt.at
Stephanie Frühwirt, Mag., Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft, seit 2008 Leitung diverser theaterpädagogischer Projekte im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbereich, Nachmittagspädagogin im Kindergarten, Kursleiterin an der Volkshochschule, Mitarbeiterin im Regieteam das SchauSpielWerk, Wien.
Alexander Hoffelner, Mag. BA BA, Bachelorstudium Geschichte und Bildungswissenschaft, Lehramtsstudium Geschichte und Politische Bildung sowie Geografie und Wirtschaft, Universitätsassistent (prae doc) am Zentrum für Lehrer*innenbildung der Universität Wien mit den Forschungsschwerpunkten Theaterpädagogik, Pädagogische Professionalität und Improvisation, BHS-Lehrer für Gesellschafts- und künstlerische Fächer in Wien, Lehrer für Improvisation an der Performing Academy, Universitätslektor an der Akademie der Bildenden Künste und Referent in der Lehrer:innenfortbildung; freischaffender Schauspieler und Sprecher, Theaterpädagoge. alexander.hoffelner@univie.ac.at
Ole Hruschka, PD Dr., leitet seit 2009 das Studienfach Darstellendes Spiel an der Leibniz Universität Hannover. Im Jahr 2021 wurde ihm durch die Philosophische Fakultät die Lehrbefugnis (venia legendi) für das Fachgebiet „Deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Theaterpädagogik” verliehen. Er ist Vorsitzender der „Gesellschaft für Theaterpädagogik Nds. e.V.” und Jury-Mitglied für das Festival Freier Theater „Best OFF” der Stiftung Niedersachsen. Zahlreiche Publikationen u.a. als Mitherausgeber der „Zeitschrift für Theaterpädagogik”. „Theater machen. Eine Einführung in die theaterpädagogische Praxis”, Das mit Julian Mende herausgegebene Lehrwerk für die Oberstufe „Theater – Epochen und Verfahren” (Westermann Verlag) wurde als „Schulbuch des Jahres 2022” ausgezeichnet. www.darstellendesspiel.uni-hannover.de
Julia Köhler, Mag. Dr., Senior Lecturer am Zentrum für Lehrer*innenbildung, Universität Wien; Lektorin an der Akademie der bildenden Künste,Wien; Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Theaterpädagogik, Kulturelle Bildung. Kontakt: julia.koehler@univie.ac.at
Gunter Lösel, Dr., leitet den Forschungsschwerpunkt Performative Praxis an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK). Nach einem Studium der Psychologie hat er in Theaterwissenschaft über das Thema Improvisation promoviert und hierzu mehrere Bücher veröffentlicht. Seine Forschungsthemen sind Interaktivität und kollaborative Kreativität im Theater, sowie Publikationsformen künstlerischer Forschung. Er ist bis heute als Improvisationsspieler und Workshopleiter eng mit der Praxis verbunden und hat kürzlich mit KISS eine zweijährige Ausbildung in Improvisation, Spontanität und Schauspiel ins Leben gerufen. https://www.gunterloesel.theater
Christian Martinsich, Mag., Lehramtsstudium Musikerziehung und Mathematik; Mentor im Bereich der Lehramtsausbildung an der Universität für Musik und darstellende Kunst; R.I.T.M.O.-Ausbildung. Im Rahmen der Unterrichtstätigkeit am GRg3 Hagenmüllergasse Leitung diverser Instrumentalensembles (Unverbindliche Übung Spielmusik). Mitinitiator des Schwerpunkts eSPRiT; Mitbegründung des Jugendtheatervereins Junge Bühne eSPRiT.
Alice Mortsch, Mag., Schauspielerin, Regisseurin, Trainerin und Phantasieliebhaberin aus Wien. Schauspielstudium an der Schauspielschule Krauss, Studium der Bildungswissenschaft (Universität Wien) und Kulturmanagement (Universität für Angewandte Kunst). Spielt und inszeniert seit 2004 an renommierten Häusern und in der freien Szene im deutschsprachigen Raum. Künstlerische Leitung des „Sommertheaterfestivals Teichfestspiele“ in der Steiermark. Dozentin an der Schauspielschule Wien, Universität Wien, Performing Arts Studios, Sommerakademie Zakynthos und bei Styrian Summer Art. www.alicemortsch.com
Gregor Ruttner-Vicht, MA MSc, Theater- und Freizeitpädagoge, Coach sowie Personal- und Organisationsentwickler, Vorstand der BeyondBühne in Österreich. https://beyondbuehne.at
Ute Schlegel-Pinkert, Dr. Prof., Germanistik- und Theaterwissenschaftsstudium, Dramaturgin und Theaterpädagogin, seit 2007 Professorin für Theaterpädagogik an der Universität der Künste Berlin. Sie publiziert unter dem Namen Ute Pinkert.
Marion Seidl-Hofbauer, Behindertenpädagogin, Spieltherapeutin und Förderdiagnostikerin, Autorin, Ausbilderin der Arbeitsgemeinschaft Jeux Dramatiques Deutschland, leitet und organisiert seit 1992 die Ausbildung in Jeux Dramatiques Österreich. Seit 1988 arbeitet sie mit den Jeux Dramatiques in Schulklassen. https://www.arge-jeux-dramatiques.at
Katharina Siebert, Mag., Diplompädagogin, Lehramt für Volksschule und SES, Mediatorin, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Leitung von Schwerpunktklassen Darstellendes Spiel, derzeit Tätigkeit als Beratungslehrerin (Volksschule, Sek.I), Referentin in der Lehrer:innenfortbildung.
Bestellen
Studienverlag: Schulheft 187
Weitere Beiträge
Thomas Stölner
Die Möglichkeit den Habitus mit dem Theater
der Unterdrückten zu verändern
Augusto Boal trifft Pierre Bourdieu
Stölner_Thomas_Die Möglichkeit den Habitus mit dem Theater der Unterdrückten zu verändern
Imperiale Lebensweise und Bildung
Klappentext
Von der imperialen zur solidarischen Lebensweise! So bestechend einfach könnte ein Programm zur Lösung aller Probleme aussehen. Dass es nicht ganz so simpel ist, haben Ulrich Brand und Markus Wissen mit dem vieldiskutierten Konzept „Imperiale Lebensweise" dargelegt. Das vorliegende schulheft zeichnet die Auseinandersetzungen um dieses Konzept nach, stellt exemplarisch einige Beispiele vor und liefert Beiträge aus dem Bildungsbereich.
Inhalt
Editorial
I. Diskussion des Konzepts
Leo Xavier Gabriel
Was ist die Imperiale Lebensweise?
Eine konzeptuelle Darstellung
Ulrich Brand und Markus Wissen
Die Linke und die Imperiale Lebensweise
Stefanie Hürtgen
Das nördliche »Wir« gibt es nicht
Ulrich Brand, Markus Wissen
Zum Gebrauchswert des Begriffs
Christa Wichterich
Covid-19, Care und Kipppunkte imperialer Lebensweise
II. Aspekte der imperialen Lebensweise
Jutta Matysek
Lobau-Autobahn & Co: Das drohende Autobahngeschwür und seine Metastasen
Gerlind Weber
Verschandelt! Verschleudert! Verbaut! – Schluss mit dem Bodenfraß!
Marcus Fischer
Das ganze Grünland ein Scheißhaus
Katharina Ritter
Lerne den Kapitalismus fürchten: Das Monopoly
Josef Baum
… ohne es zu merken
Die unterschätzte Bedeutung der Werbung ab den Kindesjahren
Lorenz Glatz
Gutes Essen für alle – aber wie?
III. Imperiale Lebensweise und Bildung
Julia Koll
„Ich bin halt so in diesen Klimawandel reingeboren“
Jugendarbeit in der Klimakrise
Lilly Panholzer
Von Sturmmasken und anderen Verpflichtungen
Malte Kleinschmidt
Dekolonialität und Kritik der imperialen Lebensweise
Überlegungen zur politischen Bildung
Josef Mühlbauer
Herrschaftskritische Pädagogik und Schulkritik
Eine (queer-)anarchistische Antwort auf die imperiale Lebensweise
Vera Besse
KAUZ – Werkstatt für Klima, Arbeit und Zukunft
Michael Sertl
Was ist im Schulunterricht brauchbar?
Kurzrezensionen
Autor*innen dieser Ausgabe
Editorial
Mit dieser Nummer setzen wir die Auseinandersetzung fort, die wir mit der Klima-Nummer „Unser Haus brennt!“ (SH 178) begonnen haben und die uns wohl noch länger beschäftigen wird. Ausgangspunkt ist diesmal das von Ulrich Brand und Markus Wissen entwickelte Konzept der Imperialen Lebensweise (IL)1, das bei Erscheinen des Buches 2017 offensichtlich einen Nerv getroffen hat. Besonders innerhalb der Linken hat damit eine recht lebendige Diskussion begonnen, die wir hier – im Rahmen unserer Möglichkeiten – dokumentieren wollen. Als schulheft sehen wir uns natürlich verpflichtet, die Möglichkeiten und Anregungen, die das Konzept IL anbietet, für den schulischen Unterricht und die Politische Bildung zu prüfen.
Das Reizvolle an diesem Konzept ist, dass es sozusagen zwei Seiten hat: das kritische Analyseinstrument Imperiale Lebensweise auf der einen Seite und das politisch-aktivierende Gegenkonzept der solidarischen Lebensweise auf der anderen Seite. Oder mit anderen Worten: Auf der einen Seite kritisiert IL das „Leben auf Kosten anderer bzw. der Natur“, auf der anderen Seite geht es um das „gute Leben für alle“. Dabei haben wir versucht, dieses Doppelgesicht auch in einer größeren Bandbreite an Textsorten zu repräsentieren als „bloß“ in wissenschaftlichen Texten. Besonders erfolgreich waren wir da nicht, aber zweifellos liefern die Texte von Aktivist:innen wie Jutta Matysek, Lorenz Glatz und Lilly Panholzer eine andere als die rein wissenschaftliche Perspektive. Richtig literarisch wird der Ton dann bei Marcus Fischer, dessen Text wir auch etwas anders layoutiert haben.
Das Heft ist in drei Teile gegliedert: 1. Diskussion des Konzepts, 2. Aspekte der imperialen Lebensweise und 3. Imperiale Lebensweise und Bildung.
Der erste Teil zur Diskussion des Konzepts Imperiale Lebensweise besteht aus fünf theoretisch-analytischen Beiträgen.
Der Beitrag von Leo Xavier Gabriel „Was ist die Imperiale Lebensweise?“ stellt eine einleitende Begriffserklärung dar. Hierbei werden Hauptelemente und die dahinterstehende Anwendungslogik der Imperialen Lebensweise erklärt. Eine Grafik, die inzwischen in vielen Varianten kursiert, veranschaulicht diese Zusammenhänge.
Das Konzept der IL ist nicht widerspruchsfrei und wurde aus verschiedenen Perspektiven diskutiert. Eine prägnante Zusammenfassung dieser Diskussionen und der daraus sich ergebenden Weiterentwicklungen liefert das Vorwort der englischsprachigen Fassung des Buches „The Imperial Mode of Living“ (2021), das wir übersetzt haben und hier mit dem Titel „Die Linke und die Imperiale Lebensweise“ abdrucken. Brand und Wissen erörtern überblicksartig die diversen Kritiken zum Konzept IL (z. B. unklarer Klassenstandpunkt, feministische Kritik, …).
In ihrem Beitrag „Das nördliche ‚Wir‘ gibt es nicht“ geht Stefanie Hürtgen auf die wiederholt vorgetragene Kritik eines unklaren Klassenstandpunkts ein und argumentiert, dass die Vorstellung eines einheitlichen globalen Nordens falsch ist. Vielmehr sollte die Analyse von einer fragmentierten Gesellschaft ausgehen, in der die Subjekte durchaus die IL in Frage stellen.
Warum Ulrich Brand und Markus Wissen die Begrifflichkeit gerade so gewählt haben, wie sie es getan haben, stellen sie in dem kurzen Ausschnitt aus dem Original-Buch (2017) „Zum Gebrauchswert des Begriffs“ dar.
Schließlich ergänzt Christa Wichterich das Konzept der IL mit einer feministischen Kritik und zeigt die Verbindungen von sozialer Reproduktion sowie Sorgearbeit mit der imperialen Lebensweise. Mit dem Beitrag „Covid-19, Care und Kipppunkte imperialer Lebensweise“ zeigt Wichterich, wie die imperiale Lebensweise durch die Ausbeutung der Sorgearbeit stabilisiert wird und wie die Pandemie die Dilemmata erneut aufgezeigt bzw. verschärft hat.
Im zweiten Teil Aspekte der imperialen Lebensweise illustrieren wir das Konzept anhand ausgewählter Analysen zum Thema Bodenfraß,
Werbung und solidarische Landwirtschaft. Den Beginn macht Jutta Matysek mit ihrem Hintergrundbericht zum Kampf gegen die Lobau-Autobahn. Möglicherweise ist dieser Kampf zum Zeitpunkt der Drucklegung nicht mehr in den Schlagzeilen, aktuell ist er ganz sicher noch. Und er liefert ein Beispiel, wie Bodenversiegelung und ein ziemlich ungebrochener Glaube an die Notwendigkeit einer „autogerechten Stadt“ die imperiale Lebensweise einzementieren. Der Aufsatz von Gerlind Weber „Verschandelt! Verschleudert! Verbaut! – Schluss mit dem Bodenfraß!“ stammt, ebenso wie die kurze Glosse von Katharina Ritter über das Brettspiel Monopoly, aus dem Katalog der Ausstellung des Architekturzentrums Wien „Boden für Alle“. Diese wirklich aufrüttelnde Ausstellung, die den leichtfertigen Umgang mit der Ressource Boden in all ihren – österreichischen! – Facetten dokumentiert (Stichwort: Grünland zu Bauland umwandeln? Kein Problem!), macht übrigens gerade ihre Tour durch die Bundesländer (vgl. www.azw.at/de/termin/boden-fuer-alle-23/).
Liefert der Text der Raumplanerin Gerlind Weber eine systematische Abrechnung mit dem Bodenfraß und formuliert notwendige Forderungen, so überträgt der Text von Marcus Fischer diese Anklage ins Literarische. Seine Suada „Das ganze Grünland ein Scheißhaus“ bringt geradezu Werner Schwab’sche Wucht in unser schulheft. Katharina Ritters kurze Glosse „Lerne den Kapitalismus lieben“ schildert, wie ein ursprünglich antikapitalistisch gedachtes Spiel schlussendlich „umgedreht“ wurde und als „Monopoly“ um die Welt ging. Da wird klar, was mit der hegemonialen Macht der imperialen Lebensweise gemeint ist. Diesen Mechanismen der kapitalistischen Subjektivierung widmet sich Josef Baum in seinem Essay „...ohne es zu merken. Die unterschätzte Bedeutung der Werbung ab den Kinderjahren“. In seinem Aufsatz „Gutes Essen für alle – aber wie?“ zeichnet Lorenz Glatz den Weg in die Sackgasse der industriellen Landwirtschaft nach und gibt einen Überblick über die österreichischen und internationalen Alternativen und Ansätze einer solidarischen Landwirtschaft.
Im dritten Teil Imperiale Lebensweise und Bildung liefern wir insgesamt vier Beiträge.
Julia Koll gewährt uns in ihrer Studie „Ich bin halt so in diesen Klimawandel reingeboren“ Einblicke, wie Jugendliche unterschiedlicher sozialer Herkunft die Themen Klimakrise, zivilgesellschaftliches Engagement, Mobilität und Ernährung diskutieren, und welche Stellung Schule und Jugendarbeit im Prozess der Bewusstmachung und der Aktivierung einnimmt.
Lilly Panholzer schildert in ihrem Bericht „Von Sturmmasken und anderen Verpflichtungen“ wie aus einem Ausstellungsbesuch mit einer Kunstvermittlerin ein politisches Umweltprojekt der Klasse wurde, und was sie als Lehrerin an den Diskussionen und Widerständen von Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern lernen konnte. Ein Weckruf an alle Lehrer*innen, den Auftrag zur politischen Bildung in Sachen Klimakrise ernst zu nehmen!
Malte Kleinschmidt zeigt in seinem Essay „Dekolonialität und Kritik der Imperialen Lebensweise“ die Problematik der Externalisierung und die Kolonialität der eigenen Lebensverhältnisse auf. Mit dem Begriff des „weiß-weißen Selbstgesprächs“ kritisiert er das Konzept der Imperialen Lebensweise und die Schieflage in der Diskussion der Ungleichheitsstrukturen zwischen denen, die davon betroffen sind, und jenen, die diese diskutieren.
Josef Mühlbauer beschäftigt sich mit „Herrschaftskritische(r) Pädagogik und Schulkritik“. Er greift die systemerhaltende Rolle der Schule auf und untersucht, welchen Beitrag sie zum Erlernen der imperialen Lebensweise leistet. Mit seiner Schulkritik stellt Mühlbauer Macht- und Herrschaftsverhältnisse radikal in Frage und macht sich auf die Suche nach Ansätzen für eine herrschaftskritische, (queer-)anarchistische Pädagogik, als Gegenbewegung zur imperialen Lebensweise.
Die Vorstellung des Projekts KAUZ – Werkstatt für Klima, Arbeit und Zukunft und Kurzrezensionen von Publikationen, die sich für den Unterrichtsbetrieb in Schule und Hochschule eignen, schließen die Nummer ab.
Viel Vergnügen beim Lesen!
Barbara Falkinger, Leo Xavier Gabriel, Michael Sertl
1 Wir verwenden in dieser schulheft Nummer die Großschreibung, also Imperiale Lebensweise (IL), immer dann, wenn inhaltlich auf das Konzept von Brand/Wissen bzw. auf das kritische Analysekonzept Bezug genommen wird. Bei deskriptiven Beschreibungen einer imperialen Lebensweise bleibt das Adjektiv klein geschrieben.
Autor*innen dieser Ausgabe
Redaktion
Barbara Falkinger
Leo Xavier Gabriel
Michael Sertl
Josef Baum, Ökonom und Geograf, Uni Wien. Schwerpunkte: Klima, Ökologie, Verteilung, Ökologische Ökonomie, China. Stadtrat in Purkersdorf, Obmann Verkehrs- und Regionalforum Waldviertel.
Vera Besse, Biologin, Erwachsenenbildnerin, Projektmanagerin und Vorausdenkerin; ist in ihrer Lohnarbeit bei akaryon tätig und sorgt für mehr Nachhaltigkeit in Unternehmen. Bei KAUZ – Werkstatt für Klima, Arbeit und Zukunft – erstellt sie im Team Bildungsmaterialien für die sozialökologische Transformation.
Ulrich Brand, Politikwissenschaftler, arbeitet an der Universität Wien und ist unter anderem Mitbegründer und Vorstandsmitglied von „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“, Arbeitsschwerpunkte: imperiale Lebensweise, internationale Umweltpoliitk, Lateinamerika und sozial-ökologische Transformation.
Barbara Falkinger, Schulleiterin einer Mittelschule in Wien, Mediatorin, Lehrerin für Englisch und Geografie und Wirtschaftskunde aus dem Blickwinkel des Globalen Lernens. Mitherausgeberin der Schulhefte.
Marcus Fischer, Schriftsteller, Werbetexter. Gewinner beim fm4 Kurzgeschichten-Wettbewerb „Wortlaut“. Zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, im Herbst 2022 erscheint sein erster Roman „Die Rotte“.
Leo Xavier Gabriel, Politikwissenschaftler und politischer Aktivist. Mitherausgeber des Sammelbands „Zur imperialen Lebensweise“ (Mandelbaum Verlag, 2022).
Lorenz Glatz, pensionierter Lehrer für Latein und Griechisch, Redakteur bei „Streifzüge. Magazinierte Transformationslust“, aktiv bei www.solawi.life, Mitglied bei den Solawi „gela Ochsenherz“ und „Ouvertura“, Autor von „Reisen zu verlorenen Nachbarn. Die Juden von Wiesmath“, Löcker 2017.
Stefanie Hürtgen, Wirtschaftsgeographin und Soziologin, associate professor an der Universität Salzburg und permanent fellow am Frankfurter Institut für Sozialforschung. Sie war lange Zeit in der politischen Erwachsenenbildung tätig und ist gewähltes Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Rosa Luxemburg Stiftung und im wissenschaftlichen Beirat des Mattersburger Kreises für Entwicklungspolitik der Österreichischen Hochschulen.
Malte Kleinschmidt, lehrt und forscht im Institut für Didaktik der Demokratie und dem Center for Inclusive Citizenship an der Leibniz Universität Hannover. Seine Dissertation zum Thema „Dekoloniale politische Bildung. Eine empirische Untersuchung von Lernendenvorstellungen zum postkolonialen Erbe“ steht als OpenAccess zur Verfügung. Seine Themenschwerpunkte innerhalb der Fachdisziplin der politischen Bildung sind Dekolonialität, Rassismuskritik, Globalisierung und Citizenship Studies.
Julia Koll, studierte Sozialraumorientierte Soziale Arbeit, Internationale Entwicklung und Germanistik in Wien. Beruflich beschäftigt sie sich mit den Themen Migration, Zusammenleben, Bildung und Nachhaltigkeit. Sie ist Mitgründerin der Initiative KAUZ – Werkstatt für Klima, Arbeit und Zukunft – und des KauzPod, dem Podcast zu Klima, Arbeit und Zukunft.
Jutta Matysek, Sprecherin der BürgerInitiative „Rettet die Lobau – Natur statt Beton“, ein überparteilicher Verein, der sich seit 2003 gegen die geplanten Autobahnen im Nordosten von Wien und für umweltfreundliche Mobilität und den Schutz der Lobau einsetzt.
Josef Mühlbauer, Politikwissenschaftler, Mitarbeiter des Varna Institute for Peace Research (VIPR); Arbeitsschwerpunkte: Queeranarchismus, Staatstheorien und Degrowth. Mitherausgeber des Sammelbandes „Zur imperialen Lebensweise“ (Mandelbaum Verlag, 2022).
Lilly Panholzer, Lehrerin für BE und Werken an einem Wiener Gymnasium, aktiv bei den Teachers for Future, findet, dass in der Schule und anderswo Kollapsbewusstsein und die Revolution für das Leben (noch) viel zu klein ist und fordert hiermit auf, dies zu ändern. Mentale Unterstützerin von #Lobaubleibt.
Katharina Ritter, Juristin, Kuratorin und Autorin für Architektur. Seit 1994 ist sie als Kuratorin und seit 2006 als Programmkoordinatorin für das Architekturzentrum Wien tätig.
Michael Sertl, ehemaliger Hauptschullehrer, Soziologe; Humanwissenschafter an der PH Wien (i.R.); Arbeitsschwerpunkte: Schule und soziale Ungleichheit; Soziologie der Schule und des Unterrichts. Mitherausgeber der Schulhefte.
Gerlind Weber, Studium der Soziologie, Rechtswissenschaften, Raumplanung. 1991–2012 Universitätsprofessorin für Raumforschung und Raumplanung an der Univ. für Bodenkultur. Lehrtätigkeit an zahlreichen Universitäten und Gastprofessur an ETH Zürich und Kyoto University. Heute freischaffende Raumwissenschafterin. Sie beschäftigt sich mit der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume, schrumpfenden Regionen, Frauen am Land, Bodenpolitik, Ortskernrevitalisierung und den Raumwirkungen des demographischen Wandels.
Christa Wichterich, feministische Soziologin mit den Schwerpunkten Gender und Entwicklung, hat als Gastprofessorin für Geschlechterpolitik in Kassel, Wien und Basel unterrichtet. Arbeitet gleichzeitig als freiberufliche Publizistin und Buchautorin. Arbeitsschwerpunkte: feministische Ökonomie und Ökologie, Care Arbeit, internationale feministische Bewegungen.
Markus Wissen, Politikwissenschaftler, lehrt und forscht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa Luxemburg Stiftung, Arbeitsschwerpunkte: imperiale Lebensweise, Arbeit und Ökologie, sozial-ökologische Transformation.
Bestellen
Studienverlag: Schulheft 186
SCHULE.MACHT.ANGST
Denk- und Möglichkeitsräume tabuisierter Zusammenhänge in Schule und Hochschule
Klappentext
Macht und Angst sind wirkmächtige Begriffe, die die Funktion von Schule als Disziplinar- und Kontrollinstitution innerhalb unserer Gesellschaft unterstützen und perpetuieren.
Im vorliegenden schulheft werden die oftmals tabuisierten Themen Angst und Macht in Bezug auf schulische und hochschulische Kontexte analysiert. Dabei werden aus unterschiedlichen Blickwinkeln sowohl theoretische Erklärungsmodelle als auch Machtpraktiken im Feld Schule bzw. Hochschule beleuchtet. Ein besonderer Fokus dieses schulhefts liegt auf künstlerischen Zugängen, mit deren Hilfe diese Emotionen in der Schule und Hochschule reflektiert und somit bearbeitet werden können.
Inhalt
Vorwort
Theoretischer Hintergrund
Erich Ribolits
Warum Bildung bei der Überwindung der Machtverhältnisse
nicht hilft, zu deren Erhalt aber ganz wesentlich beiträgt
Matthias Huber
Angst in der Pädagogik
Ein differenzierter Blick auf eine wirkmächtige Emotion
Martina Pihringer und Christine Rabl
(K)ein guter Ratgeber
Eine Reflexion über Angst in der Schule zwischen Bewältigen und Verstehen
Eveline Christof
Schule und Macht?
Zu den Rollen von Schüler*innen und Lehrer*innen und wie sich diese in der
Lehrer*innenbildung fortschreiben
Daniela Holzer
Macht, die Angst macht, und Angst, die (Gegen-)Macht macht
Fragmente aus der Erwachsenenbildung
Machtpraktiken im Feld Schule
Cathrin Reisenauer & Nadine Ulseß-Schurda
Macht und Angst
Zwei tabuisierte Aspekte schulischer Anerkennungsprozesse
Julia Reischl
„Es war eine asoziale Nummer“
Zur Perspektive von Schüler/innen auf Beschämung in der
Klassenöffentlichkeit des Schulunterrichts
Antonia Paljakka
Bullying.Macht.Angst
Julia Reischl
„Der Schüler hat die Macht zu spüren bekommen und
mir is trotzdem im Nachhinein so peinlich“
Zu Aggression und Schuld als Maske der Scham bei der Lehrperson
Bearbeitung von Macht und Angst mit künstlerischen Ansätzen
Julia Köhler, Alexander Hoffelner
Macht.Theater.Angst.
Ansätze theaterpädagogischer Erfahrungsräume zum Thema Macht
Markus Göller
Musik•Macht•Schule
Stephan Engelhardt
Hiketides – Die um Schutz Flehenden
Die theatrale Szene und ihre therapeutische Dimension
Marlene Kowalski, Söhnke Post
Sexualität und Pädagogik – Tabus in der Lehrer*innenbildung
Erziehungswissenschaftliche Konzepte und literaturdidaktische Überlegungen
zur Professionsentwicklung
Autor*innen dieser Ausgabe
Vorwort
Emotionen haben zweifellos einen großen Einfluss auf unser Denken und Handeln, aber auch auf das Lernen der Schülerinnen und
Schüler. Das vorliegende schulheft widmet sich der Analyse des Zusammenhangs der drei Bereiche Schule, Macht und Angst. In der Schule spiegeln sich die Strukturen der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse wider. Schule, als ein Teil des Gesellschaftssystems, hat unter anderem die Aufgabe, das herrschende System (oder auch das System der Herrschenden?) zu stabilisieren, aufrechtzuerhalten, weiterzuführen und dementsprechend zu selektieren. So finden sich auch jene Strukturen der Herrschaft und der Macht in der Schule, die die Gesellschaft vorgibt. Im System Schule werden Rollen ebenso verteilt, wie die damit zusammenhängenden Verhältnisse von Macht und Ohnmacht.
Aber ist die Ausübung einer strukturellen, vorgegebenen Macht auch immer legitim? Wie verteilen sich Macht und Ohnmacht im System Schule, in der Hochschule, in den einzelnen Schulstandorten, in den jeweiligen Klassenzimmern? Und wie kann sich Macht bzw. Ohnmacht, wenn sie sich auf Einzelne konzentriert, in Angst verwandeln? Wir fragen also: Macht Schule Angst? Wird Angst in der Schule durch bestimmte Mechanismen systematisch erzeugt? Oder auch so: Welche besondere Art von Macht verbreitet in der Schule Angst?
Angst ist eine Emotion, die nicht nur negativ zu sehen ist, hat sie doch in der Geschichte der Menschheit auch eine wichtige Funktion, indem sie Menschen bspw. zur Vorsicht vor Bedrohungen mahnt. Beim Thema Angst und Schule liegt der Blick meist auf dem psychologischen Phänomen der Angst im Sinne von Furcht vor Misserfolg und Versagen, und zwar bezogen auf den Unterricht, auf das soziale Umfeld der Schüler*innen und auf die Leistungsbeurteilung. Dazu werden die Blickwinkel von Schüler*innen, Lehrer*innen sowie von angehenden Lehrer*innen einer näheren Betrachtung unterzogen.
Warum macht Schule Angst? Welche Formen von Macht und Ohnmacht finden sich im Schulfeld und wie wird dort Angst erzeugt? Ist die systembedingte Leistungsmessung der Faktor für die Entstehung von Angst in der Schule – Stichwort „Prüfungsangst“? Wie gehen Lehrer*innen mit jenen dem System inhärenten Machtstrukturen um? Wie setzen sich Lehramtsstudierende mit diesem Teil ihrer zukünftigen Rolle – Macht gegenüber Schüler*innen auszuüben und Ohnmacht gegenüber dem System Schule – auseinander?
Welche weiteren strukturellen Bedingungen der Institution Schule können dazu beitragen, dass Ängste entstehen und sich bei den Beteiligten manifestieren? Welche Rolle spielt dabei das hidden curriculum? Von den systembedingten Faktoren abgesehen, gibt es eine Reihe individueller Gründe für Schulangst. Welche Auslöser, Ursachen und Beweggründe lassen sich identifizieren?
Diese Ausgabe des schulhefts fragt auch danach, wie der Schulangst begegnet werden kann, welche Möglichkeiten der Prävention und welche Ansätze zur Bearbeitung von Ängsten sich ausfindig machen lassen. Dazu werden im vorliegenden Heft Beispiele aus der Praxis und künstlerische Zugänge zum Thema Macht und Angst in Schule und Hochschule vorgestellt, und ebenso kommen auch andere kreative Formen des Umgangs mit Angst zur Sprache.
Zu den einzelnen Beiträgen
Der erste Teil des vorliegenden Hefts spannt einen theoretischen Rahmen für das Thema auf. Dessen erster Beitrag ist ein Wiederabdruck aus dem Sammelband „Bildung und Macht. Eine kritische Bestandaufnahme“, der 2015 von Eveline Christof und Erich Ribolits herausgegeben wurde. Wir drucken diesen Text nochmals in diesem schulheft ab, da die Idee zu dieser Ausgabe von Erich Ribolits stammt, der die Fertigstellung des Hefts leider nicht mehr miterleben konnte. Schon im Titel seines Beitrags ist zu lesen, dass Bildung bei der Überwindung der Machtverhältnisse nicht hilft, zu deren Erhalt aber ganz wesentlich beiträgt. Nach Streifzügen durch die historische und aktuelle Debatte um den Bildungsbegriff wird nach dessen Verquickung mit Macht gefragt sowie danach, wie Bildung gefasst werden müsste, um tatsächlich Bildungsprozesse anregen zu können.
Matthias Huber wirft einen differenzierten Blick auf die wirkmächtige Emotion Angst. Er beleuchtet die vielfältigen Funktionenvon Angst, von ihr als negativ konnotiertem Erlebnis bis hin zu den wichtigen Funktionen, die Angst für das Individuum erfüllt.
Martina Pihringer und Christine Rabl gehen einen anderen Weg, indem sie im Rahmen eines philosophischen Nachdenkens die Funktionen von Angst in der Schule zwischen Bewältigen und Verstehen reflektieren.
In ihrem Beitrag widmet sich Eveline Christof der Perspektive von angehenden Lehrer*innen und ihren Erfahrungen mit Macht, die sie selbst im Feld Schule erlebt haben, und den möglichen Auswirkungen auf ihre zukünftige Rolle als Lehrpersonen.
Danach fragt Daniela Holzer, ob Macht Angst macht oder ob nicht gar Angst eine (Gegen-)Macht machen könnte. Dabei unternimmt sie Streifzüge durch die Erwachsenenbildung und Weiterbildung.
Die folgenden vier Beiträge des zweiten Teils dieses schulhefts widmen sich explizit bestimmten Machtpraktiken, die im Feld Schule zentrale Rollen spielen. Cathrin Reisenauer und Nadine Ulseß-Schurda beleuchten Macht und Angst als zwei tabuisierte Aspekte schulischer Anerkennungsprozesse. Ausgehend von Erzählungen, die Schüler*innen im Rahmen eines Forschungsprojekts verfasst haben, in welchen sie über Situation mit ihren Lehrpersonen berichten, entfalten die Forscherinnen mögliche Szenarien, wie Erfahrungen von Angst in der Schule bearbeitet werden können.
Julia Reischl ermöglicht mit ihrem Beitrag Einblicke in Ohnmachtserfahrungen, die Schüler*innen durch Beschämung im Unterricht erleben. Diese analysiert sie mit tiefenhermeneutischen Methoden.
Antonia Paljakka umreißt das Phänomen Bullying (bzw. Mobbing) in der Schule und thematisiert dabei besonders den Aspekt des Machtungleichgewichts zwischen Mobbenden und Betroffenen sowie die unterschiedlichen Dimensionen der Angst im Bullying-Geschehen.
In einem weiteren Beitrag von Julia Reischl wird auch die andere Seite des unterrichtlichen Geschehens aus der Perspektive einer Lehrperson mit tiefenhermeneutischen Methoden analysiert. Es wird die Sicht eines Lehrers auf Macht, Beschämung und den Umgang damit aufgerollt.
Der dritte Teil des vorliegenden schulhefts widmet sich der Bearbeitung des Themas aus künstlerisch-ästhetischen Perspektiven. Zunächst stellen Julia Köhler und Alexander Hoffelner theaterpädagogische Zugangsweisen vor, die es ermöglichen, Emotionen wie Angst, die durch Ohnmacht entstehen kann, kritisch zu bearbeiten. Markus Göller entfaltet einen spezifischen Zugang und zeigt auf, wie es gelingen kann, Musik im Kontext Schule so einzusetzen, dass Schüler*innen durch Beschäftigung mit Musik zunehmende Resilienz – vor allem gegenüber Zuständen wie Angst – aufbauen. Im letzten Beitrag stellt Stephan Engelhardt ein schulisches Projekt vor, bei dem anhand einer Schultheateraufführung Ängsten einer Gruppe von Schülerinnen mit Fluchterfahrungen implizit und explizit begegnet werden. Theaterpädagogische Arbeit fördert, so die These des Autors, die performative Selbstreferenzialität der Jugendlichen und ermöglicht die Entwicklung neuer Formen von psychosozialer Selbstregulation.
Dieses schulheft widmen wir dem im April 2021 verstorbenen Erich Ribolits, von dem die ursprüngliche Idee für dieses Thema stammt. Sein Humor, seine undogmatische Herangehensweise und sein genaues Hinterfragen waren uns stets wichtige Gradmesser, unsere eigenen Sichtweisen zu problematisieren und neu zu justieren. Bei öffentlichen Präsentationen der schulhefte vertrat er uns oft auf dem Podium und brachte die pädagogischen und gesellschaftspolitischen Anliegen der schulhefte nicht nur durch sein Wissen, sondern auch durch seine von Humor und Ironie durchsetzte Rhetorik den Zuhörer*innen nahe. Als verantwortlicher Redakteur gestaltete er gemeinsam mit Kolleg*innen viele schulhefte, in denen er sich vor allem mit gesellschaftspolitischen Anliegen wie Bildung, Arbeit und Lehrer*innenbildung beschäftigte. In unserem Wirken wird sein Wirken weiterleben.
Eveline Christof und Julia Köhler
Autor*innen dieser Ausgabe
Redaktion
Eveline Christof und Julia Köhler
Eveline Christof, Univ.-Prof. Mag. Dr., Professur für Bildungswissenschaften an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Arbeitsbereiche: Professionalisierungsforschung, Schulpädagogik, Allgemeine Didaktik, Lernen und Lehren, ästhetische Bildungsprozesse, Bildung und Macht. Kontakt: christof@mdw.ac.at
Stephan Engelhardt, Dr. phil. Mag. art., Theaterpädagoge, Kunstpädagoge, Psychotherapeut für KIP in eigener Praxis. Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche. Kontakt: stephanengelhardt1@gmail.com
Markus Göller, Mag., Mag., PhD ist Assistent am Institut für Musikpädagogik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Kirchenmusiker und Gymnasiallehrer in Perchtoldsdorf sowie Instrumentalpädagoge an der Musikschule Brunn am Gebirge. Kontakt: goeller@mdw.ac.at
Alexander Hoffelner, Mag. BA BA, Universitätsassistent am Zentrum für Lehrer*innenbildung der Universität Wien, Forschungsschwerpunkte: Theaterpädagogik, Pädagogische Improvisation, Politische Bildung; BHS-Lehrer für Geschichte und Politische Bildung, Geografie und Wirtschaft sowie Theater, Dozent für Improvisation, Referent in der Lehrer*innenfortbildung, Schauspieler, Theaterpädagoge. Kontakt: alexander.hoffelner@univie.ac.at
Daniela Holzer, Assoz. Prof.in Dr.in, Assoziierte Professorin am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz, Fachbereich Erwachsenen- und Weiterbildung; Lehr- und Forschungsschwerpunkte: kritische Bildungstheorie, kritische Erwachsenenbildung, Weiterbildungswiderstand. Kontakt: daniela.holzer@uni-graz.at
Matthias Huber, HS-Prof. Mag. Dr., ist Professor für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung an der Pädagogischen Hochschule Kärnten. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Pädagogische Epistemologie und Anthropologie, Bildung und Emotion, Bildungsverlaufsforschung, Lehrer*innenbildung, Schulentwicklung, Mixed-Methods-Forschung. Kontakt: matthias.huber@univie.ac.at
Julia Köhler, Mag. Dr., Senior Lecturer am Zentrum für Lehrer/innenbildung, Universität Wien; Lektorin an der Akademie der bildenden Künste, Wien; Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Theaterpädagogik, Kulturelle Bildung. Kontakt: julia.koehler@univie.ac.at
Antonia Paljakka, BA MA, Studium der Bildungswissenschaft an der Universität Wien und der Universität Jyväskylä (Finnland). Universitätsassistentin am Zentrum für Lehrer*innenbildung der Universität Wien mit dem Dissertationsthema „Lehrersensibilität für Bullying unter Schüler*innen“. Lehre im Bereich der allgemeinen bildungswissenschaftlichen Grundlagen. Forschungsschwerpunkte: Bullying, Lehrer*innenbildung, Professionalisierung. Kontakt: antonia.paljakka@univie.ac.at
Martina Pihringer, BA, Lehrende an der BAfEP21 für Didaktik und Praxis; derzeit Masterstudium am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien; Schwerpunkt: Biographie, Bildung und Gesellschaft.
Christine Rabl, Mag. Dr., Lehrende an der Universität Wien, der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und an der BAfEP21; Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Bildung und situiertes Wissen, Elementarpädagogik. Kontakt: christine.rabl@univie.ac.at
Julia Reischl, Mag. Dr. phil., Univ.-Ass. Post-doc am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung (ILS) der Leopold- Franzens-Universität Innsbruck. Lehr- und Forschungsschwerpunkte: (qualitativ-empirische) Schul- und Unterrichtsforschung, Professionalisierung und LehrerInnenbildung, Reflexion
pädagogischer Lern- und Bildungsprozesse. Ausbildung zur Individualpsychologischen Kinder-, Jugendlichen- und Erwachsenenpsychotherapeutin. Kontakt: julia.reischl@uibk.ac.at
Cathrin Reisenauer, Mag.a Mag.a Dr.in, lehrt und forscht an der Fakultät für LehrerInnenbildung der Universität Innsbruck. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Inklusion im Bildungsbereich, pädagogisches Handeln und Partizipation in Schule und Forschung. Kontakt: cathrin.reisenauer@uibk.ac.at
Erich Ribolits, Univ.-Prof. Dr. (1947–2021), Professor für Erwachsenenbildung am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien, Lehrbeauftragter an mehreren österreichischen Universitäten und Fachhochschulen, Lehr- und Forschungsschwerpunkte: kritische Bildungstheorie, Erwachsenen- und Weiterbildung.
Nadine Ulseß-Schurda, Mag.a Dr.in, Lehrerin für Deutsch und Englisch, Lehrbeauftragte an der Fakultät für LehrerInnenbildung der Universität Innsbruck; Lehr- und Arbeitsschwerpunkte: pädagogisches Handeln, Holocaust- und Menschenrechtsbildung, Existenzielle Pädagogik. Kontakt: Nadine-ulsess-schurda@uibk.ac.at
Bestellen
Studienverlag: Schulheft 185
Mind the Gap
Das (uneingelöste) Versprechen von Bildung
Klappentext
Bildung sei Kulminationspunkt heutiger „Erlösungshoffnungen“, kritisierte einst Erich Ribolits. Die vorliegende schulheft-Ausgabe „Mind the Gap“ will der Einbildung, Bildung sei Allheilmittel gegen soziale Probleme, ebenso kritisch im Wege stehen. Trotzdem: Das Scheitern des Bildungssystems bei dem Anliegen, sozialer Ungleichheit entgegenzuwirken, ist nicht alternativlos. Schule muss nicht ein Ort der Ohnmacht und des Rassismus sein und Basisbildung kann ein kritischerer Ort als die Hochschule sein. Aber solange es Flüchtlingslager wie Moria, Deutschförderklassen, Anti-Migrant*innen-Gesetze, Extremismus, ungleiche Genderverhältnisse und neoliberale Pädagogisierung gibt, bleibt das Versprechen von Bildung unvollständig.
Inhalt
Editorial
Autor*innenkollektiv IGDaZDaFBasisbildung
Wir schreiben unsere Geschichte selbst
Saraya Gomis
Praxisblicke auf institutionellen Rassismus an Schulen
Martin Gerner
Bildungsherausforderungen in den Flüchtlingslagern Moria und Kara Tepe auf Lesbos
Ein Erfahrungsbericht
„Es ist definitiv an der Zeit, etwas zu verändern“
Noomi Anyanwu vom Black-Voices-Anti-Rassismus-Volksbegehren und Theo Haas von Schüler*innen gegen Abschiebung im Gespräch mit Petra Neuhold
Christine Braunersreuther & Iris Mendel
Beruhigen Sie sich (und andere)!
Eindrücke aus dem Homeschooling
Angela Huber-Stuhlpfarrer
Gesundheit und Bildungsressourcen von Schüler*innen im Kontext der Coronapandemie
Eine sozial ungleiche Verteilung
Christoph Butterwegge
Die überforderte Bildung
Bildung schützt nicht wirksam vor Armut und nützt auch wenig im Kampf gegen soziale Ungleichheit
Stefan Wellgraf
Rechtfertigung
Alltagsmoral und berufliche Dilemmata im pädagogischen Bereich
Andreas Peham
Kritische Bildungsarbeit zur Prävention von Extremismus
im Kontext von Terror und Terrorbekämpfung
Jan Niggemann
Sich um die Zukunft sorgen
Wie begründet sich pädagogische Autorität?
Rezensionen
Robert Schabus: Mind the Gap
Eine Filmempfehlung von Elke Renner
Petra Neuhold
Rassismuskritik und pädagogische Professionalität
Autor*innen dieser Ausgabe
Editorial
Dass die Schule ihr Bildungsversprechen lediglich für einen privilegierten Teil der Bevölkerung einlöst, ist (bildungs-)wissenschaftlicher Dauerbefund. In aktuellen öffentlichen Debatten wird dies kaum gesellschaftskritisch, sondern primär als Versagen von Lehrer*innen, Schüler*innen oder Eltern diskutiert. Insbesondere im Zusammenhang mit den PISA-Studien seit 2001 wird Bildung wieder stärker zu einem zentralen Instrument der Überwindung von gesellschaftlichen Spaltungslinien stilisiert und Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen mehr eigenverantwortliches Handeln und Anpassungsbereitschaft abverlangt. Lehrer*innen sollen sich in ihrem pädagogischen und erzieherischen Handeln stärker professionalisieren, Schüler*innen in ihren Lernleistungen mehr anstrengen und Eltern größeres schulisches Engagement sowie ggf. Integrationsbereitschaft an den Tag legen. Eine breite öffentliche Diskussion über die diskriminierenden Anrufungen von migrantisierten und deprivilegierten Schüler*innen und ihren Eltern bleibt weitgehend aus, ebenso die Kritik an den Rahmenbedingungen, unter denen dieses Handeln eingefordert wird. Dies hängt zusammen mit dem hegemonialen Verständnis von Bildung und Schule, in dem Bildung als Allheilmittel aller möglichen sozialen Probleme und Schule als unpolitischer und neutraler Ort gedacht werden.
Mit diesem Heft liefern wir keine weiteren empirischen Daten zum Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und Bildung, wir verfolgen auch keine theoretische Diskussion des Bildungsbegriffs und wir suchen keine pädagogischen Antworten auf die zunehmende soziale Ungleichheit. Stattdessen begeben wir uns auf verschiedene Schauplätze der Ungleichheit und des Widerspruchs, an denen das uneingelöste Versprechen von Bildung – auf Emanzipation, auf politische Teilhabe, auf das gute Leben, auf Solidarität – sichtbar wird und damit sowohl das Versagen von Bildung als auch das, was Bildung sein könnte. „Mind the gap“ bezieht sich daher auf Verschiedenes und doch Zusammenhängendes: auf die Kluft, die durch soziale Ungleichheit entsteht, die damit einhergehende Bildungsungerechtigkeit, aber auch auf den Widerspruch zwischen Versprechen und Wirklichkeit, zwischen dem, was ist, und dem, was sein sollte.
Das Heft richtet sich daher auch gegen die vorherrschende neoliberale Erzählung der Alternativlosigkeit, die auch das Thema Bildung betrifft. Die eingeschränkte gesellschaftliche Vorstellungskraft und ihre entpolitisierende und entsolidarisierende Wirkung verstehen wir zum einen im Kontext der durch neoliberale kapitalistische Konkurrenzverhältnisse vorangetriebenen Individualisierung und Isolierung, die sich im Zusammenhang mit der „Corona-Krise“ zugespitzt haben. Zum anderen deuten wir die vermeintliche Alternativlosigkeit vor dem Hintergrund einer unvollendeten gesellschaftlichen Demokratisierung.
„Wer ändern will, kann es wahrscheinlich überhaupt nur, indem er diese Ohnmacht selber und seine eigene Ohnmacht zu einem Moment dessen macht, was er denkt und vielleicht auch was er tut,“ schreibt Theodor W. Adorno1. Ein Gedanke, der sich neoliberalen pädagogisierenden Diskursen und einem überzogenen Heilsversprechen von Bildung jedenfalls widersetzt. Reale Ohnmacht in das politische und pädagogische Handeln integrieren und dennoch nicht aufgeben, das scheint auch Angela Davis zu sagen: „Wir müssen so tun, als ob es möglich wäre, die Welt radikal zu verändern. Und wir müssen es ständig tun.“ Wir stoßen auf dieses Zitat in den Räumlichkeiten von das kollektiv, dem autonomen Bildungszentrum von und für Migrantinnen in Linz, wo es in großen Buchstaben auf die Tafel geschrieben wurde. Ein Beitrag aus dem Kontext der migrantisch-feministischen Sprachbildung in der Erwachsenenbildung eröffnet auch unser Heft.
„Wir schreiben unsere Geschichte selbst“ ist ein Stück Archivund Erinnerungsarbeit: Das Autor*innenkollektiv IGDaZDaFBasisbildung arbeitet in diesem Beitrag Interviews mit sechs Aktivist*innen auf, die die migrantisch-feministische Bildungsarbeit in Österreich mitbegründet und geprägt haben. Der Annahme, dass kritische Bildungsarbeit von den weißen akademischen Zentren der Mehrheitsgesellschaft ausströme, widersprechen die Autor*innen. Sie schildern nicht nur den steinigen Weg an der Schnittstelle von Bildungs- und Migrationskämpfen, sondern auch ambivalente Solidaritäten und die kritische Theorie- und Wissensarbeit, die zugleich Grundlage und Ergebnis ihrer Praxis sind.
Dass Bildung und Schule nicht unbedingt Lösung, sondern auch Teil des Problems sein können, macht Saraya Gomis’ grundlegender Beitrag über institutionellen Rassismus in der Schule deutlich. Sie argumentiert, dass neben individueller rassistischer Diskriminierung auch die weniger offensichtliche und eher akzeptierte institutionelle rassistische Diskriminierung der Schule in den Blick genommen werden muss, um Rassismus etwas entgegensetzen zu können. Dabei bezieht sie sich auf Schwarze Widerstandsbewegungen, die den Begriff des institutionellen Rassismus geprägt haben, und bringt auch einen Text eines ehemaligen Schülers.
Der Journalist Martin Gerner berichtet über die sich seit 2015 sukzessive verschlechternde Bildungssituation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in den europäischen Lagern Moria und Kara Tepe auf Lesbos. Neben dem Versagen der Europäischen Union dokumentiert er, wie NGOs und Geflüchtete selbst versuchen, Bildung in und außerhalb der Lager zu organisieren. In diesem Beitrag wird die globale Ungleichheitsdimension des Bildungsausschlusses im Zusammenhang mit der europäischen Grenzpolitik aufgezeigt. Gemeinsam mit anderen Texten in diesem Heft wird sichtbar, wie sich die Grenzen im Inneren der europäischen Nationalstaaten und ihren Bildungssystemen fortschreiben.
Die anti-rassistischen Proteste des letzten Jahres in Österreich sind Thema des Interviews mit Noomi Anyanwu, Sprecherin des Black-Voices-Anti-Rassismus-Volksbegehrens, und Theo Haas von Schüler*innen gegen Abschiebung. Petra Neuhold spricht mit den beiden über ihr politisches Engagement, ihre Forderungen und Ziele für eine anti-rassistische Gesellschaft und darüber, welche Rolle die Schule im Kampf gegen Rassismus spielen könnte.
Christine Braunersreuther und Iris Mendel schildern auf kreative Weise Eindrücke aus dem Homeschooling während der Corona-Pandemie. Sie deuten damit auf die vergeschlechtlichten Reproduktionsverhältnisse hin, auf der die Institution Schule beruht und die sie auch immer wieder „anruft“, was während der „Schulschließungen“ besonders deutlich wurde.
Dass Gesundheit und Bildungsressourcen auch in Österreich ungleich verteilt sind und sich dies im Zuge der Corona-Pandemie verschärft hat, zeigt Angela Huber-Stuhlpfarrer in ihrem Text. Selbst als Schulärztin tätig, kritisiert sie die Dethematisierung sozialer Ursachen für höheres Infektionsgeschehen in so genannten „Brennpunktschulen“ sowie für Gesundheit überhaupt. Statt einer Pädagogisierung und Therapeutisierung sozialer Probleme plädiert sie für solidarische gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche und eine gerechte Ressourcenverteilung.
Auch Christoph Butterwegge weist Bildung als Allheilmittel gegen soziale Probleme zurück. Sein Beitrag dekonstruiert den Mythos, dass Bildung gegen Armut schützt und sich soziale Ungleichheit über ein „Mehr“ an Bildung überwinden lässt. Der Autor kritisiert die damit einhergehende Schuldzuweisung an Betroffene und weist darauf hin, dass neben der Verbesserung von Bildungseinrichtungen gegen Armut und soziale Ungleichheit vor allem Maßnahmen der Umverteilung notwendig sind. Armut und soziale Ungleichheit werden zwar gerne als Folge von „Bildungsdefiziten“ dargestellt, tatsächlich ist aber „mangelnde“ Bildung Folge von Armut und sozialer Ungleichheit.
Um Verantwortungsdelegation in Bezug auf Bildungsungleichheit geht es auch in Stefan Wellgrafs Text. Mittels ethnographischer Forschung an Berliner Sekundarschulen untersucht der Autor, wie Lehrer*innen mit beruflichen Dilemmata umgehen, die sich aus dem Aufeinandertreffen der schulischen Realität von Leistungsmessung und Disziplinierung und emanzipativen pädagogischen Idealen ergeben. Um eine zunehmend exkludierende Schulpraxis zu rechtfertigen, wird dabei auf gesellschaftlich hegemoniale meritokratische und kulturalisierende Argumentationsmuster zurückgegriffen, die wiederum vor allem Schüler*innen selbst die Verantwortung für ihr Scheitern zuschreiben.
Die bereits in Stefan Wellgrafs Beitrag angedeuteten Gefühle der Ohnmacht von Lehrer*innen in Bezug auf Bildungspolitik und soziale Ungleichheit werden in Andreas Pehams Text aufgegriffen. Der Autor setzt sie mit der Tendenz zunehmender Kulturalisierung sozialer Konflikte in Beziehung, die sich insbesondere gegen Muslim*innen bzw. „den Islam“ wendet. Junge Muslim*innen werden auch als vorrangige Zielgruppe von Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen bestimmt, während nationalistischer Extremismus der Mehrheitsgesellschaft weniger Beachtung findet. Peham skizziert nicht nur die widersprüchlichen schulischen Bedingungen, unter denen kritische Bildungsarbeit zur Prävention von Extremismus stattfindet, sondern auch deren pädagogische Orientierung weg von einer Widerlegung von Vorurteilen hin zum Subjekt und zur Funktion von Vorurteilen.
Obwohl ein Versprechen von Bildung in der Befreiung von Autoritäten liegt, sind gerade im Bildungsbereich Rufe nach mehr Autorität wahrnehmbar. Der komplexen Frage der Autorität in Bildung widmet sich der Beitrag von Jan Niggemann, der sich mit den politischen und pädagogischen Gedanken des marxistischen Philosophen Antonio Gramsci beschäftigt. Angesprochen wird in diesem Beitrag auch die Notwendigkeit, „[s]ich um die Zukunft [zu] sorgen“, womit – fast am Ende des Heftes angelangt – die Frage nach der Möglichkeit, Zukunft anders zu denken, theoretisch aufgeworfen wird.
Zwei Rezensionen beschließen dieses Heft und laden zum Weiterlesen bzw. -schauen ein: Elke Renner gibt eine Filmempfehlung für Robert Schabus’ 2020 erschienenen Film „Mind the Gap“, der den Titel dieses Heftes inspiriert hat. Petra Neuhold rezensiert Hanna Hoa Anh Mais 2020 erschienenes Buch „Pädagog*innen of Color. Professionalität im Kontext rassistischer Normalität“.
Zu den oben angesprochenen Ohnmachtsgefühlen gesellen sich Wut und Erschöpfung – Letzteres wohl ein Grund, warum ein paar Autorinnen, darunter zwei der Redakteur*innen, ihre Texte zurückgezogen haben. Der Diskursschauplatz ist ja auch nur einer, an dem wir im Als-ob-Modus von Angela Davis die Welt verändern wollen, darüber hinaus gibt es die vielen – oft unsichtbar bleibenden – alltäglichen Kämpfe darum.
Für das Lektorat möchten wir uns bei Bertl Gubi bedanken, für das Layout und die grafische Gestaltung bei Anna Großmann und Peter Sachartschenko. Ermöglicht wurde dieses Heft durch die Förderung der Arbeiterkammer Wien, die uns in der inhaltlichen Gestaltung freie Hand ließ. Danke!
Assimina Gouma, Iris Mendel, Petra Neuhold
1 Adorno, Theodor W. (1971) Erziehung zur Mündigkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 147.
Autor*innen dieser Ausgabe
Redaktion
Assimina Gouma
Iris Mendel
Petra Neuhold
Noomi Anyanwu ist Studentin, Aktivistin und Sprecherin des Black-Voices-Anti-Rassismus-Volksbegehrens. Seit ihrem 15. Lebensjahr ist sie bereits politisch
aktiv, aktuell mit ihrem Online-Aktivismus als @thisisnoomi. Außerdem tritt sie als Trainerin und Beraterin zum Thema Anti-Rassismus auf. Feminismus und Anti-Rassismus sind ihre Schwerpunkte.
Autor*innenkollektiv IGDaZDaFBasisbildung: In der IGDaZDaFBasisbildung vernetzen sich Kursleiter*innen und Aktivist*innen, um sich gemeinsam für faire und wertschätzende Lehr- und Lernbedingungen in der Erwachsenenbildung mit Migrant*innen einzusetzen. An dem Text mitgearbeitet haben: Kimberley Carrington, Gergana Mineva, Nima Obaro, Daniela Rechling, Sabine Schröder, Julija Stranner und Sabine Zopf.
Christoph Butterwegge hat von 1998 bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt und ist Mitglied der dortigen Forschungsstelle für interkulturelle Studien (FiSt). Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Sozialstaatsentwicklung, (Kinder-)Armut und Reichtum; Rechtsextremismus, Rassismus und (Jugend-)Gewalt; Migration und Integration; Globalisierung, Neoliberalismus und demografischer Wandel.
Christine Braunersreuther ist Museologin, Kulturanthropologin und Lokalpolitikerin. Care-Feminismus ist Mittelpunkt ihrer Arbeit und ihres Lebens.
Martin Gerner ist Autor der Veröffentlichung „Moria.System.Zeugen“, erschienen 2021 im Böhlau Verlag (https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/moria). Als Journalist und Autor berichtet er v.a. für Deutschlandfunk/DeutschlandRadio und den ARD-Hörfunk aus Krisengebieten wie Afghanistan und Irak sowie weltweit. Er ist Privatdozent für Konfliktforschung an deutschen und internationalen Bildungseinrichtungen und Hochschulen zu Flucht, Migration und Fragen der Integration. Sein Dokumentarfilm „Generation Kunduz. Der Krieg der Anderen“ ist vielfach international ausgezeichnet und wurde in Moria kurz vor dem Brand gezeigt.
Saraya Gomis ist ehrenamtlich bei EOTO e. V. tätig.
Assimina Gouma ist schulheft-Redakteurin. Sie studierte Kommunikationswissenschaft und Soziologie und forscht zu den Themen Migration, Rassismuskritik, Intersektionalität, Mehrsprachigkeit und Medien. Aktuell lehrt sie an der School of Education (Bergische Universität Wuppertal).
Theo Haas ist 17 Jahre alt und Schulsprecher in der Stubenbastei (Wien).
Angela Huber-Stuhlpfarrer ist Ärztin für Allgemeinmedizin und seit 2012 als Schulärztin im Bundesschulwesen tätig. Sie ist Vorstandsmitglied der Gesellschaft
der Schulärzte und Schulärztinnen Österreichs. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen: Praxisforschung/Action Research zu bedarfsorientierter schulärztlicher Tätigkeit und Zusammenarbeit im schulischen Supportsystem. Fortbildungsschwerpunkte: Entwicklungs- und Sozialpädiatrie, Krisenintervention.
Iris Mendel ist schulheft-Redakteurin, Philosophin und Sozialwissenschaftlerin sowie Lehrerin für die Fächer Deutsch und Psychologie/Philosophie. Ihre Arbeitsbereiche sind Wissensproduktion und soziale Ungleichheit, kritische Wissenschaftsbildung, geschlechterreflektierte Pädagogik und feministische Theorien. Außerdem interessiert sie sich für Fragen des Schreibens von Erfahrungen, Elternschaft und care.
Petra Neuhold ist schulheft-Redakteurin. Sie studierte Soziologie und Geschichte und ist Lehrerin für die Fächer Deutsch und Geschichte. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Mehrsprachigkeit, Rassismuskritik, soziale Ungleichheit und österreichische Schulgeschichte. Sie arbeitet an der Pädagogischen Hochschule Wien.
Jan Niggemann ist Erziehungswissenschaftler und arbeitet als politischer Bildner zu Hegemonie, pädagogischer Autorität sowie Emotionen/Affekten, Klassismus und Bildung und veranstaltet mit dem Verein Forschung und Bildung in Bewegung die Salon Bildung Wien Edition (www.salon-bildung.at). Demnächst erscheint das Buch „Hegemonie bilden. Pädagogische Anschlüsse an Antonio Gramsci“, das er gemeinsam mit María do Mar Castro Varela und Natascha Khakpour herausgibt.
Andreas Peham studierte zwischen 1990 und 2000 Politikwissenschaften und eine Fächerkombination aus Zeitgeschichte, Entwicklungspolitik und Soziologie an der Universität Wien. Seit 1996 arbeitet er im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), Bereich Rechtsextremismus-Forschung. Peham ist zudem Gründungsmitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (www.fipu.at). Seit Mitte der 1990er Jahre ist er in der Lehrer*innenfortbildung und im Rahmen der Politischen Bildung an Schulen tätig (Extremismusprävention, rassismus- und antisemitismuskritische Bildungsarbeit).
Elke Renner ist AHS-Lehrerin i. R.
Stefan Wellgraf arbeitet im Rahmen einer Heisenbergförderung am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Er studierte Sozial- und Kulturwissenschaften in Berlin und Frankfurt und war anschließend Kollegiat am Graduiertenkolleg „Berlin-New York“ an der TU Berlin. Er war Visiting Scholar an der New York University und der Goldsmith University London. Weitere Stationen führten ihn als wissenschaftlichen Mitarbeiter an das Johann Jacobs Museum in Zürich und als Vertretungsprofessor an die Universität Hamburg. Zu seinen Forschungsinteressen zählen soziale Ungleichheit, Migration sowie Populär- und Medienkultur.
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Studienverlag: Schulheft 184