Demokratie – kritische Reflexionen Klappentext Dieses schulheft führt eine Auseinandersetzung zum Thema Demokratie aus pädagogischen und gesellschaftspolitischen Perspektiven abseits von Mainstream und medialen Darstellungen. Historischen Formen und neoliberalen Entwicklungen wird nachgegangen, um Beteiligungen und Ausschlüsse von Menschen in Demokratien zu klären. Inhalt Vorwort Christine Rabl Conrad Schuhler Stefanie Wöhl Marion Löffler Gundula Ludwig Rubia Salgado Hans Hautmann Stefan Howald Hauke Straehler-Pohl und Michael Sertl Wolfgang Popp Michael Brandmayr Rezension: AutorInnen Vorwort Die bürgerliche Demokratie hat in all ihren Varianten unter neoliberal kapitalistischen Bedingungen zu immer größerer ökonomischer und sozialer Ungleichheit und Ausgrenzung geführt und grundsätzliche Fragen provoziert. Diesen Fragen, was Demokratie je war, heute möglicherweise ist oder sein kann, soll in diesem schulheft nachgegangen werden. Christine Rabl beleuchtet den erziehungswissenschaftlichen Diskurs über die Verschränkung von politischen Ansprüchen und pädagogischen Aufgaben. Kritische Erziehungswissenschaft bekennt sich zur Zielsetzung einer demokratischen Gesellschaft. Die Differenzierung von Pädagogik und Erziehungswissenschaft ermöglicht es, eine eingehende Auseinandersetzung mit Demokratie als eine Aufgabe von Pädagogik zu bestimmen. In der Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Begriffe von Demokratie und Pädagogik geht es nicht mehr nur darum, was die Begriffe bedeuten oder welche Handlungsmöglichkeiten daraus erwachsen, sondern auch um die Frage, wer hier jeweils gemeint ist und wem Handlungsspielräume verwehrt werden. Zur politischen Bildung liefert Conrad Schuhler wesentliche Informationen. Er untersucht die Fragen: Woher rühren und was sind die Prinzipien der „bürgerlichen Demokratie“, welche gravierenden Verschlechterungen hat der Wandel zum Neoliberalismus gebracht, was ist nötig, um eine wirkliche Demokratie herzustellen – nämlich die Demokratisierung der Wirtschaft. Die Alternative zur Entwicklung: Kapitalismus ohne Demokratie wäre und muss sein: Demokratie ohne Kapitalismus. Die folgerichtige Bedeutung und Notwendigkeit des Widerstandes für eine wirklich demokratische Gesellschaft wird Conrad Schuhler in einem Beitrag im schulheft 4/2017 zum Thema Widerstand aufgreifen. Stefanie Wöhl untersucht „die Krise“ der repräsentativen Demokratie in Europa und geht dabei auch auf die ökonomischen Krisenentwicklungen der EU ein. Sie zeigt am Schluss ihres Beitrags sieben Dimensionen auf, an denen die (immanenten) Widersprüche und Krisenerscheinungen der repräsentativen Demokratie festgemacht werden können. Marion Löffler beschäftigt sich mit dem Begriff „Postdemokratie“ und beschreibt ihn als formal reduzierte Demokratie, in der Demokratie selbst kein Versprechen mehr ist und keine Hoffnungen mehr weckt. Sie trägt ihre Argumentation in einem interessanten Dreischritt vor: vom Sieg der Demokratie – über den Sieg über die Demokratie – zum Hass der Demokratie. Schlussendlich folgt: Postdemokratie als kritischer Einsatz kann aber auch als demokratietheoretische Intervention verstanden werden, die die Fallstricke des aktuellen Misstrauens aufzeigt. Denn eine Demokratie, die den Demos verhindert, verhindert keinen Populismus. Eine Demokratie, die den Demos verhindert, schafft sich selbst ab. Gundula Ludwig betont aus feministischer Sicht, dass die der sogenannten „Postdemokratie“ vorangegangene Demokratie ebenfalls auf Ausschlüssen basiert. Diese Ausschlüsse und Begrenzungen sind genuine Bestandteile moderner westlicher Demokratien und ebenso wie vergeschlechtliche Ausschlüsse und Ungleichheiten auch in der Postdemokratie wirkmächtig. Heutige ökonomische Logiken, der Umbau des Wohlfahrtsstaates, die Autoritarisierung des Politischen gehen einher mit dem Abbau politisch-sozialer Rechte, auch der Rechte der Frauen. Die Rechte der MigrantInnen stehen im Mittelpunkt der Untersuchungen durch Rubia Salgado, deren wissenschaftliches Engagement sich hauptsächlich in alternativ organisierten Institutionen entwickelt. Sie dokumentiert das Interesse der Wirtschaftsmächtigen an der Nutzung von MigrantInnen mit Quellentexten aus politischen Erklärungen, Programmen, Verordnungen und Gesetzen und beweist eine „Demokratie der Ausnahmen“, gegen die es sich zu wehren gilt. Hans Hautmann gibt uns einen konzentrierten Überblick über die einschneidenden politischen Veränderungen vom Sturz der Habsburger-Monarchie zur Ausrufung der Republik und der Errichtung einer parlamentarischen Demokratie. Diese „österreichisch Revolution“ übernahm aber Elemente der Kontinuität, vor allem die ökonomische Grundlage. Das Wirtschaftssystem auf privatkapitalistischer Basis blieb gleich. Die Arbeiterklasse erreichte unter diesen Bedingungen zwar Zugeständnisse vor allem in der Sozialpolitik, diese Errungenschaften der sozialen Reformpolitik wurden aber von den Wirtschaftsmächtigen Schritt für Schritt in einer Gegenoffensive bis zum Heimwehrfaschismus beseitigt. So endete nach nur 15 Jahren die demokratische Periode der Ersten Republik in einer Diktatur. Diese Entwicklung liest sich heute wie ein viel zu wenig wahrgenommenes Lehrbeispiel. Stefan Howald zeigt, welche Schwierigkeiten Volksabstimmungen für die Schweizer Politik bedeuten können, zumal die nationale Souveränität durch die globalisierten Handels- und Politikbeziehungen begrenzt wird. Der „Volkswille“ erweist sich als ein schwieriges Konstrukt. Die Zugehörigkeit zum „Demos“, deren Eingeschränktheit, wird kritisch aufs Korn genommen. Der Beitrag verschafft bedenkenswerte Einsichten, wie direktdemokratische Schweizer Volksinitiativen einerseits Erfolgsprodukt und andererseits in vieler Hinsicht problematisch sind. Hauke Straehler-Pohl und Michael Sertl nehmen eine der letzten publizistischen Äußerungen des Bildungssoziologen Basil Bernstein über „Demokratie und pädagogische Rechte“ zum Anlass, genauer über die normativen Grundlagen der Bildungssoziologie nachzudenken. Sie untersuchen die pädagogischen Bedingungen für eine effektive Demokratie und formulieren mit Bernstein pädagogische Rechte, die diese Bedingungen sicherstellen sollen. Wolfgang Popp hat anlässlich seines 80. Geburtstags mit seinem Lebenspartner Bernhard Nolz die letzte Nummer der friedenspädagogischen Zeitschrift „et cetera ppf“ herausgegeben. Darin gibt er u.a. im Rückblick und hier fürs schulheft gekürzt noch einmal die Thesen zur Friedenserziehung als Demokratieerziehung wieder. Wir danken Wolfgang an dieser Stelle für sein jahrzehntelanges Engagement in der Friedensbewegung. Michael Brandmayr untersucht mit dem Projektunterricht eine Unterrichtsform, die per se als demokratieförderlich gilt bzw. in der die Mitbestimmung durch die SchülerInnen besonders gut geübt werden könne. Er zeigt sich eher skeptisch, was die demokratischen Potentiale des Projektunterricht betrifft, u.a. auch deshalb, weil die Schule als Institution in Widersprüche und Hemmnisse verstrickt ist, die im Projektunterricht tendenziell ausgeblendet werden. Schlussendlich empfiehlt das schulheft die Lektüre von Hannes Hofbauer: „Diktatur des Kapitals“. AutorInnen Michael Brandmayr, Erziehungswissenschafter am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung der Universität Innsbruck Hans Hautmann, a.o. Universitätsprofessor i.R., Vorstandsmitglied der Alfred Klar Gesellschaft, Wien Stefan Howald, Redakteur bei der «WOZ – Die WochenZeitung» in Zürich und Autor verschiedener Sachbücher Christine Rabl, Bildungswissenschaftlerin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien sowie am FH Campus Wien. Marion Löffler, Politikwissenschafterin am Institut für Politikwissenschaften der Universität Wien. Gundula Ludwig, Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Forschungsschwerpunkte: Politische Theorie, Feministische Theorie, QueerTheorie, Körpertheorien Wolfgang Popp, Vorsitzender der Gesellschaft für Friedenserziehung und des Zentrums für Friedenskultur Siegen. Mitherausgeber der Reihe: Friedenskultur in Europa Rubia Salgado, Erwachsenenbildnerin und Autorin, Mitbegründerin und Mitarbeiterin des „maiz“ – Autonomes Zentrum von und für Migrantinnen, arbeitet im Verein „das kollektiv“: kritische Bildungs-, Beratungs- und Kulturarbeit von und für Migrantinnen. Conrad Schuhler, Vorsitzender des isw – Institut für sozial-ökonomische Wirtschaftsforschung, München Hauke Strehler-Pohl, Erziehungswissenschafter im Arbeitsbereich Grundschulpädagogik der FU Berlin Michael Sertl, Bildungssoziologe (i.R.) an der Pädagogischen Hochschule Wien Stefanie Wöhl, Politikwissenschafterin und Leiterin des „Stadt Wien Kompetenzteams für European and International Studies (EIS)“ an der FH des BFI Wien Bestellen Studienverlag: Schulheft 164
(Wie) Kann die Demokratie zur Aufgabe der Pädagogik werden?
Perspektiven Kritischer Erziehungswissenschaft auf den Zusammenhang von Pädagogik und Demokratie
Kapitalismus oder Demokratie?
Die „Krise“ der repräsentativen Demokratie in Europa
Demokratietheoretische und politikfeldbezogene Reflexionen
Postdemokratie: Probleme mit der Demokratie heute
Postdemokratie und Geschlecht
Über die Kontinuität von Ausschlüssen, Begrenzungen und Ungleichheiten
Das Management, der Tod, der Rest
Gedanken zum Verhältnis von Demokratie und Migration
Österreich 1918–1933. Von der Erringung zur Beseitigung der Demokratie
Volkes Wille? Wie hält es die Schweiz mit der Demokratie? Kann sie der EU etwas vormachen?
Ein paar grundsätzliche Überlegungen anhand einiger Beispiele
Demokratie und pädagogische Rechte
Eine normative Heuristik auf Grundlage von Basil Bernsteins Bildungssoziologie
Friedenserziehung als Demokratieerziehung
Was nützt der Projektunterricht in Zeiten der Krise der Demokratie?
Eine kritische Auseinandersetzung mit einer Unterrichtsform
Hannes Hofbauer: Die Diktatur des Kapital
Souveränitätsverlust im postdemokratischen Zeitalter