Uniland ist abgebrannt
"Bildung statt Ausbildung nach wirtschaftlicher Verwertbarkeit" lautete die Spitzenforderung der bis heute nicht ganz abgeebbten Student/innenproteste des letzten Jahres. Im vorliegenden schulheft werden die Hintergründe und Ursachen dieser Proteste ausgeleuchtet sowie hinterfragt, ob mit der Forderung nach Bildung tatsächlich eine Alternative zur ökonomischen Verzweckung allen organisierten Lernens aufgestellt wird. Raoul Kneucker Konrad Paul Liessmann Michael Gemperle Ludwig A. Pongratz Erich Ribolits Alfred Schirlbauer David Kriebernegg Sigrid Maurer Thomas Schmidinger und Claus Tieber Monika Hofer und Eva Sattlberger Eveline Christof An erster Stelle des Forderungskatalogs der protestierenden Studierenden, die im Winter 2009/10 österreich- und europaweit auf die "Misere bolognese" der universitären Bildung aufmerksam gemacht haben, fand sich die Forderung "Bildung statt Ausbildung nach wirtschaftlicher Verwertbarkeit". Es ist zumindest bemerkenswert, dass die Spitzenforderung der Studierenden damit einen Anspruch formulierte, der weit über ein systemkonformes Adaptieren der aktuell inadäquaten Studienbedingungen hinausgeht und ein grundlegendes Infragestellen der herrschenden bildungspolitischen Zustände impliziert. Noch bemerkenswerter ist, dass eine während der zweiten Protestwoche bei Studierenden in ganz Österreich durchgeführte Untersuchung des Instituts für Jugendkulturforschung zutage brachte, dass fast 70% aller befragten Studierenden die Forderung nach Bildung statt Ausbildung als die wichtigste Aussage des Forderungskatalogs der sogenannten Audimaxisten bezeichneten. Daraus lässt sich interpretieren, dass die Forderung so abstrakt sie auch erscheinen mag und so wenig Medien und Bildungspolitiker mit ihr auch anfangen konnten ein generelles Unbehagen der studentischen Jugend an ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung und Rolle als "Munition im herrschenden Krieg mit ökonomischen Mitteln" widerspiegelt. In diesem Sinn wird die Dichotomie von Bildung und Ausbildung im gegenständlichen schulheft zum Ausgangspunkt dafür gemacht, die Situation in Schulen und Universitäten dahingehend zu hinterfragen, wieweit dort heute überhaupt so etwas wie ein Fördern autonom denkender, dem Status quo kritisch gegenüberstehender, selbstbewusster Persönlichkeiten erfolgen kann bzw. wieweit die Forderung nach Bildung statt Ausbildung tatsächlich eine latent systemkritische Haltung der studentischen Jugend widerspiegelt. Eveline Christof Christof, Eveline, Universität für Bodenkultur, Zentrum für Lehre, Arbeitsbereich Weiterbildung, universitäre Weiterbildung, qualitative Sozialforschung, Didaktik und Erwachsenenbildung. Studienverlag: Schulheft 139Klappentext
Inhalt
Brandverursacher
Das Bologna Spektrum
Ein Überblick über FragestellungenBrandsachverständige
Der Prozess
Die Rede von der "Wissensgesellschaft" als Teil eines politischen Projekts
Bildung im Bermuda-Dreieck: Bologna Lissabon Berlin
Erhebet euch Geliebte, wir brauchen eine Tat!
Oder: Warum die Protestaktionen der Studierenden im Herbst 2009 mehr mit Bildung zu tun hatten als die Reaktionen der meisten Bildungstheoretiker/innen
Kompetenz statt Bildung?Brandstifter
"Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut"
(Demo-Spruch der protestierenden Studierenden)
Der heiße Herbst 2009, die Bewegung und die ÖH Zwischen den Feuerfronten
Zur Lage der lehrenden Klasse in Österreich
Und was kommt danach?
Zur Lage der befristet beschäftigten Jungwissenschafter/innen an der Universität Wien
Universitäten in der Krise
Governance an der Hochschule im Spannungsfeld von Autonomie und VerantwortungVorwort
AutorInnen
Redaktion
Erich Ribolits
Johannes ZuberAutorInnen
Gemperle, Michael, lic. phil., Universität St. Gallen, Fachbereich Soziologie; Transformation der Arbeitswelt, Forschungsschwerpunkte Arbeitssoziologie, Bildungssoziologie, Soziologie der Intellektuellen.
Hofer, Monika, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien, Forschungseinheit für LehrerInnenbildung und Professionalisierungsforschung, Arbeitsschwerpunkte: Lehrer/innenbildung, Schulpädagogik, Professionalisierungsforschung, Vergleichende Erziehungswissenschaft.
Kneucker, Raoul, Dr. juris; Honorarprofessor für Politische Wissenschaften (Europapolitik) an der Universität Innsbruck; Sektionschef für wissenschaftliche Forschung und internationale Angelegenheiten (BMWF) i.R., Generalsekretär der Rektorenkonferenz (19701977) und des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (19781989).
Kriebernegg, David, studiert Geschichte, Europäische Ethnologie/Kulturanthropologie und Philosophie in Graz. Seit 2007 ist er für die Grünen & Alternativen StudentInnen (GRAS) Graz in der Österreichischen HochschülerInnenschaft aktiv, u.A. Senat, Universitätsvertretung, Studienrichtungsvertretung.
Liessmann, Konrad Paul, Univ. Prof. für Philosophie, Vizedekan der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft an der Universität Wien, viele Buchveröffentlichungen, u.A.: Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft.
Maurer, Sigrid, studiert Politikwissenschaft und ist seit 2005 bildungspolitisch für die Grünen & Alternativen StudentInnen aktiv, seit Juli 2009 ist sie Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft.
Pongratz, Ludwig A., Univ. Prof. für Allgemeine Pädagogik und Erwachsenenbildung an der TU Darmstadt, Arbeitsschwerpunkte: Allgemeine Pädagogik, Kritische Theorie bzw. Bildungstheorie, Erwachsenenbildung/Weiterbildung, viele Buchveröffentlichungen, u.A.: Bildung im Bermuda-Dreieck: Bologna Lissabon Berlin. Eine Kritik der Bildungsreform.
Ribolits, Erich, Bildungswissenschafter, tätig als Privatdozent an verschiedenen österreichischen Universitäten, Forschungsschwerpunkt: Verhältnis von Arbeit, Bildung und Gesellschaft, Letzte Buchveröffentlichung: Bildung ohne Wert. Wider die Humankapitalisierung des Menschen.
Sattlberger, Eva, Bundeslehrerin im Hochschuldienst am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien, Vizestudienprogrammleiterin Bildungswissenschaft (Lehrer/innenbildung), AHS-Lehrerin (Physik und Mathematik)
Schirlbauer, Alfred, bis 2008 Professor am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien; Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Bildungstheorie, Schulpädagogik, Pädagogische Soziologie.
Schmidinger, Thomas, Lektor am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien mit Schwerpunkt Internationale Politik, Mittlerer Osten, Migration und politischer Islam. Von 2009 bis 2010 war er Präsident der IG externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen und hat sich in verschiedenen Bereichen der Protestbewegung engagiert.
Tieber, Claus, ist als habilitierter Privatdozent Lektor am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Universität Wien und Projektleiter an der Abteilung Musik- und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg. Seit 2010 ist er Präsident der IG externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen (www.ig-elf.at).Bestellen
Mitschnitt der Diskussionsveranstaltung: